Mount Everest Base Camp Trek

Tag 156 bis Tag 172, Montag 06.10 bis Mittwoch 22.10.2014 – Von Wahnsinn, Massentourismus, Höhenkrankeit und Dal Bhat Power 24 Hour

Ich leide nicht an Wahnsinn, ich genieße jede Minute davon!” – wie anders liese sich erklären, dass ich freiwillig und mit einem breiten Grinsen über dem Gesicht in einer kleinen, zweiproppeligen Twin-Otter auf einem der weltweit gefährlichsten Flughäfen lande: Lukla, Himalya. Die kurze Landebahn besitzt ein Gefälle von 12 Grad, das Abbremsen bei der Landung wird hierdurch zusätzlich unterstützt. Das ist auch bitter nötig, wartet direkt am Ende der Landebahn doch eine massiver Berg – Durchstarten ausgeschlossen! Der erste Versuch muss sitzen – und fast immer tut er das auch.

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Anflug Flugfeld Lukla

Tagesetappe 1: Kathmandu – Lukla – Phagding  (8 Stunden)

Nach Flug entlang eines atemberaubenden Bergpanoramas und geglückter Landung in Luka – was übrigens die erste Landung seit langem war, bei der ich frohen Herzens und klischeehaft touristisch dem Piloten Beifall klatschte – treffen wir direkt unsere nepalischen Träger, welche für die nächsten 17 Tage unsere Begleiter sein sollen. Unsere Gruppe ist damit zum ersten Mal vollzählig: Tour-Organisator Jürgen, Bernd, Jakob und ich als Teilnehmer, unser Nepali-Guide Punscha sowie die Träger Harka, Remington und Norbu. Zum Frühstück gibt es heute eine Nudelsuppe, wir brauchen Flüssigkeit und Kraft sagt Jürgen. “Und ich erinnere noch mal daran: Für die nächsten Tage ist Alkohol, Kaffee, Fleisch und so ein Zeug strengstens verboten! Ich will Euch gesund und fit nach oben bringen! Wir Essen ab jetzt Suppe, Kartoffeln, Reis, Nudeln und Linsen…und jeden Tag mindestens eine Knoblauchsuppe!” spricht er mit einer Kippe aus dem Mundwinkel hängend. Anfangs halte ich es für einen Witz aber schon beim Abendessen in unserer Lodge bei Phagding macht er ernst: Dal Bhat für Alle, ‘All you can eat’! Dal Bhat ist das typische Nepali-Essen bestehend aus Linsensuppe, (Kartoffel) Gemüse, Reis und einer Art kross frittiertem, salzigen Kartoffelchip. Na wie Geil, Beilagen mit Beilagen mit Beilagen mit Kartoffelchip. Ich weiß nicht, ob es ein Essen mit mehr Kohlenhydraten gibt! Dal Bhat Power 24 Hour! Daher essen es unsere Träger auch zu Frühstück, Mittag und Abend. Und ich muss eingestehen, es schmeckt gar nicht mal so schlecht, dieses fleischlose Zeug! Zu Jakobs Freude ist Dal Bhat in Nepal grundsätzlich ‘All you can eat’, was schamlos ausgenutzt wird bis ansatzweise ein Sättigungsgefühl bei ihm einsetzt. In manchen Lodges ist Jakob mittlerweile kein gerngesehener Gast mehr ;-).

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Jakob, Bernd und Jürgen
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Letztes Bad für 17 Tage
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Dal Bhat Power 24 Hour

Was ist sonst so passiert: Naja, wir sind wandern, also sind wir gelaufen und gelaufen und eben gelaufen. Heute nur eine kleine Strecke, bisschen aufwärts, bisschen mehr abwärts. Nichts anstrengendes. Mittagessen gegen 11:30 Uhr, Ankunft an der Lodge so gegen 14 Uhr, Baden im Fluß gegen 16 Uhr, Abendessen gegen 18 Uhr und in den Schlafsack kuscheln gegen 20 Uhr, Erster Toilettengang 23 Uhr, Zweiter Toilettengang 03 Uhr. Und mit zwei Toilettengängen ist man noch gut bedient, nötigt uns Jürgen doch dazu, täglich mindestens 4 Liter Wasser bzw. Tee zu trinken. Welche Blase kann da eine ganze Nacht durchschlafen? Mit Ausnahme des Badens im Bergfluss – in diesen Genuss sollten wir so schnell nicht mehr kommen – stellt das auch kurz zusammengefasst unseren typischen Tagesablauf für die nächsten 17 Tage dar.

Witzige Geschichte des Tages: Beim Dal Bhat Abendessen sitzen die Porter (Träger) im selben Dinning Raum wie wir und essen zu Jürgens Erstaunen mit Löffel und Gabel. Er denkt, sie machen es nur unseretwegen und fühlen sich innerlich Unwohl, worauf er hingeht und sagt: “Jungs, Ihr könnt ruhig mit den Fingern essen, wenn Ihr wollt!” – als Reaktion erntet er unverständliche Blicke. Die Jungs essen ungestört weiter mit Löffel und Gabel. Tja, die Zweckhaftigheit von Essbesteck macht wohl auch vor Nepal nicht halt.

Tagesetappe 2: Phagding – Jorsale (3 Stunden) 

Die wohl kürzeste Tagesetappe ermöglicht es auszuschlafen und spät zu frühstücken – wobei ich seit 20 Uhr am Vorabend schlafe und theoretisch um 3 Uhr nachts hätte aufstehen können. An 10-12 Stunden Schlaf muss ich mich wohl erst gewöhnen. Ebenso an die Frühstückskarte. Was zum Geier lässt mich Porridge (Haferbrei) mit heißer Milch bestellen? Hatte ich gestern Abend nicht genug Gesundes? Und dazu ist es noch gänzlich geschmacksneutral! Die Porter essen natürlich wieder Dal Bhat – das müsste ich jetzt auch nicht haben. Zusätzlich treffen wir auf ein logistisch-palnerisches Problem beim Frühstück. In unserem Big-Pot Hot Lemon werfen wit vorsichtshalber eine Wasser-Entkeimungs-Tablette, so dass wir sorgenfrei den Tee trinken können. Leider benötigt diese 30 Minuten, um ihre Wirkung zu entfalten…für das komplette Frühstück haben wir allerdings bloß einen Zeitnsatz von 30 Minuten – wann trinken wir jetzt die 2 Liter Hot Lemon??? Wir werden doch nicht am erste Morgen schon vom mustergültig und detailliert festgelegten Zeit- und Ablaufplan abweichen müssen? Jürgen, was ist da los? Planerische Missgeschicke? Du weißt doch: Ablaufpläne und Zeiten sind dringendst einzuhalten!

Beim Abmarsch bin ich völlig perplex. Unsere Träger laufen heute in Sandalen und T-Shirt. Ich frier mir im Schatten noch den Arsch ab und die rennen quasi barfuß herum! Das sind Typen. Noch beeindruckender sind die vielen anderen Träger, die nicht für uns Touristen Gepäcke schleppen, sondern Lebensmittel, Getränke, Alltagsutensilien oder Baumaterialen den Berg hinauf befördern. Um 10 Uhr überholt uns ein 1,50m großer, vielleicht 17 Jahre alter Sherpa-Junge mit 8 Dachbalken von circa 4 Meter länge auf dem Rücken. Andere tragen in ihrem Flechtkorb einen Jahresvorrat an San Miguel Bier oder schleppen 4 aneinander gebundene Spanplatten! Die Jungs sind verrückt! Und sie sind schneller als wir! Dal Bhat Power 24 Hour! Umso mehr sie tragen, desto mehr verdient ihr Ein-Mann Speditionsunternehmen. Im Vergleich dazu bewegen sich die Yak-Transport-Karawannen mit erschreckender Gemütlichkeit, so dass sich hinter den Yaks Touristenschlangen bilden. Ein Überholen dieser Büffel artigen Monster ist auf den engen Bergwegen mit teilweisen steilen Klippen nicht möglich.

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Hängebrücken
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Bitte Platz machen!
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Sherpa Transportunternehmen

Was ist sonst so passiert: Ist im Berg eigentlich Links- oder Rechtsverkehr für Trekker? Einer Diskussion über diese eigentlich sinnfreie Frage war Jürgen heute ausgesetzt, als plötzlich unvermittelt in seiner Fahrspur eine dickliche Wandererin sich bergab quälte und seinen Weg blockierte. “In Nepal läuft man eigentlich links” merkte Jürgen freundlich an, zumal tatsächlich sie die einzige Falschläuferin war. “Ist mir egal, ich komm aus Europa, da fährt man rechts!” meckert das sich völlig außer Atem befindliche Trekker Weibchen in osteuropäischen Akzent und drückt Jürgen auf die Seite. Zum Glück ist ihm nichts passiert – glich die Begegnung körperumfangmäßig doch einer direkten Konfrontation mit einem ausgewachsenen Yak. Aber wieso sollten sich die Europäer in Nepal auch anpassen und gar den Trägern mit 50-90 Kilo auf dem Rücken Vortritt lassen. Europäer bringen ja schließlich Geld, wenn kümmern da schon hinterwäldlerische Regeln. Vielleicht hat sie sich aber auch wirklich das Beispiel Yak genommen, die laufen auch wo sie wollen.

Witzige Geschichte des Tages: Beim Abendessen sind wir die einzigen Gäste im Speisesaal, der zeitgleich auch eine Art Kinder- und Wohnzimmer darstellt. Während wir Essen sehe ich die erste Folge CSI Mumbai meines Lebens. Lautstärke MAX, Sprache Nepali. Grundvoraussetzung, einen Job als Schauspieler zu bekommen, ist ein Oberlippenbart. Egal ob echt oder angeklebt. CSI Ermittler besitzen die breitesten, der Gerichtsmediziner den längsten, der Täter beinahe Hitler Stile und selbst Frauen und verbrannte Leichen scheinen Bart zu tragen. Zusätzlich spielt die halbe Folge in Slow Motion, dafür sind die anderen Schnitte so schnell, dass es schwer ist zu folgen. Grandios. Und bis auf Fußballübertragungen mein einziges Fernseherlebnis im ganzen Oktober.

Tagesetappe 3: Josale – Namsche Bazzar (3,5 Stunden)

Unser planerisch-logistisches Problem von gestern lösen wir heute ganz einfach: Ich war es, der das Problem ansprach, ich bin es auch, der 30 Minuten früher als alle Anderen im eiskalten Dinning Room (Speisesaal) sitzt und die Katadyn in unseren Tee wirft. Danke Jürgen. Wieso muss ich den Scheiß auch ansprechen! Hab ich das beim Bund nicht gelernt, dass man manchmal besser die Fresse hält! Frühstück: Nudelsuppe > viel besser als Haferbrei! Danach schnell Zähneputzen im Freien und los gehts. 11:30 kommen wir auch schon in Namsche Bazzar an, dem größten Dorf (120 Häuser, überwiegend Lodges und Hotels) und Handelszentrum der Region. Hier gibt es alles, was sich der (Luxus)-Tourist zu Wünschen erhofft: Irish Pub mit Live Fußball, Schwarzwälder Kirschtorte, Illy oder Starbucks Kaffee, Massagen und Sauna, Pool Tische, Burger, Pizza sowie unzählige Shopping Läden. Hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt. Die Einsamkeit und Einfachheit kommt sicher erst in den höher gelegeneren Bergdörfern.

Auf dem 3-stündigen, steilen Aufstieg nach Namsche sahen wir zum ersten Mal den Everest – tolles Gefühl. Beinahe genauso toll ist unser Mittagessen: Knoblauchsuppe und frittierte, vegetarische Mo-Mo’s. Mo-Mo’s sind mit Gemüse oder Fleisch gefüllte Teigtaschen, die erst gekocht und dann noch frittiert werden. Theoretisch frittierte Maultaschen. Muss ich Oma mal empfehlen!

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Namsche Bazzar
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Höhenaklimatisierung
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Stupa Namsche Bazzar

Am Nachmittag machen wir noch einen Höhen-Aklimatisierungs-Spaziergang. Will heißen, wir wandern auf eine 200m höher gelegene Lodge, trinken dort einen Tee (mit Tablette natürlich), verweilen eine Stunden und gehen dann wieder zurück nach Namsche. Der Körper hat es so einfacher, sich an die extremen Höhen zu gewöhnen. Zurück im Dinning Room erleben wir erstmals eine volle Hütte. 2 Deutsche Pärchen, Österreicher, Amis und eine 20-köpfige Gruppe Koreaner ‚beleben‘ die Lodge. Wahnsinn, was die Koreaner alles zu Essen haben?!? Das steht nicht auf der Karte! Wie ich erfahre, besitzt die Gruppe eigenen Köche mitsamt eigener Träger, die nur typisch koreanische Lebensmittel mit durch das Himalaya Gebirge schleppen. Sogar eigene Teller, Töpfe, Schalen, Teller und Stäbchen werden von Lodge zu Lodge befördert. Das nenne ich mal ein authentisches Nepal Erlebnis.

Was ist sonst so passiert: Es gibt Wi-Fi! Und zwar überall! Zu Bernds Glück bietet jede Lodge, jedes Cafe, jede Bar Wi-Fi. Ab heute hat er den Spitznamen Wi-Fi Bernd 😉

Die diesmal traurige Geschichte des Tages: Meine Rückenschmerzen werden schlimmer. Bereits in Kathmandu ist mir (wieder einmal) ein Wirbel heraus gesprungen und bislang noch nicht wieder drin. Bernd, Chiropraktiker und unser Expeditions-Arzt, behandelt mich bereits seit einigen Tagen aber dieser blöde Wirbel will einfach nicht rein! Damn. Heute spritzt er mich erstmals.

Tagesetappe 4: Höhenakklimatisierung Namsche

Alle circa 1.000 Höhenmeter sollte aus medizinischer Sicht ein Ruhetag zur Akklimatisierung eingelegt werden. Wir machen also die Bäckereien in Namsche reich…denn hier gibt es Kuchen, heiße Schokolade, Kaffee (zumindest theoretisch, denn für uns ist er ja ebenfalls aus medizinischen Gründen verboten – das Rauchen wird übrigens immer noch akzeptiert und lebhaft praktiziert!) und natürlich Wi-Fi für Bernd. Nachmittags gehe ich auf eigene Faust spazieren und komme am ‚Steinbruch’ Namsches vorbei. Das ist noch richtig harte, körperliche Arbeit. Jeder einzelne Stein wird mit einem 1,50 langen Hammer – was übrigens auch der Körpergröße des Nepali entspricht, der ihn bedient – aus dem Fels gehauen und dann von Jugendlichen auf hölzernen Tragegestellen in das 1 km entfernte Dorf befördert. Dort werden sie dann so lange bearbeitet, bis aus den Natursteinen grob quadratische Bausteine entstehen. Ein langwieriger und schweißtreibender Prozess.

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Steine schleppen
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Wi-Fi und Schwarzwälder
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Sport in den Bergen

Was ist sonst so passiert: Abends lassen wir es so richtig krachen und bleiben bis 21:30 in einer Bar und spielen Billard. Natürlich trinken wir kein Bier, sondern Tee aber wir sind schon verrückte Typen! 21:45 bin ich endlich im Schlafsack, so spät war ich schon lange nicht mehr im Bett!

Die witzige Geschichte des Tages: Schlaflos in Namsche! Die Zimmer in den Lodges sind generell sehr hellhörig, sind sie doch lediglich zusammengenagelte Spanplatten. Geräuschdämmung gleich null, oftmals scheint sogar das Licht vom Nachbarzimmer durch. Jürgen und Bernd hatten zudem das Glück, neben der Packstation der koreanischen Reisegruppe zu wohnen. Oder doch direkt neben DHL Namsche? Jedenfalls half weder klopfen, noch brüllen, noch verzweifelt Flehen. Die Taschen wurden gepackt, ausgepackt, umgepackt, wieder gepackt usw. bis Jürgen gänzlich die Nerven verlor. Und dabei hatte ich beim Abendessen noch Oropax empfohlen! Aber wollte ja keiner auf mich hören.

Tagesetappe 5: Namsche – Tengbosche (6,5 Stunden)

Meine Vorstellung: Heute entfliehen wir dem Touristenstrom. Realität: Wir sind der Touristenstrom. Zwischen 7 und 8 Uhr morgens starten hunderte Trekker, Guides, Träger, Yaks und Pferde in dieselbe Richtung: Everest Base Camp! Mittlerweile mehr Massentourismus als Individualreise ist sogar der Trekkingpfad relativ gut ausgebaut und es reihen sich Shops, Lodges und Restaurant dicht aneinander. Wären nicht unsere Träger, würde ich mehr über die amerikanische, chinesische oder israelische Kultur erfahren als über das traditionelle Leben Nepals. Denn mit Nepalis komme ich so gut wie überbaut nicht in Kontakt. Aber darf ich mich überhaupt über fehlende Authentizität und mangelnde individuelle Erfahrungen beschweren? Ich bewege mich schließlich ebenfalls auf der Ameisenstraße der Trekker und bin somit mitverantwortlich für den touristischen Wandel der Region. Nein, wer individuelle Erfahrungen und ein einsames Abenteuer sucht, darf nicht so blauäugig sein und das auf einem der weltweit beliebtesten und bekanntesten Treks erwarten.

Der letzte, zweistündige Anstieg nach Tengbosche ist ein hartes Stück Arbeit. Es geht 800 Höhenmeter bergauf bis zu unserem Ziel auf 4.000 Meter. Ein hartes Stück ist es vor Allem für meinen Kopf und für meine Lungen. Zum ersten Mal spüre ich die dünner werdende Luft. Oben angekommen beginnen beinahe unmittelbar die Kopfschmerzen, ein erstes Anzeichen der Höhenkrankheit – mein Gehirn dehnt sich aus und drückt an den Schädel. Ältere Menschen sollen ja bekanntlich weniger Probleme mit der Höhe haben, da ihr Gehirn schon etwas geschrumpft ist. Zum ersten Mal nehme ich eine Aspirin.

Beim Abendessen überfalle ich beinahe unseren Nachbartisch. Dort sitzen Japaner und haben neben ihrem komischen Seetang auch zwei Dosen Wurst dabei- zumindest riecht es so. Nach mittlerweile 10 Tagen vegetarisch fände ich so ein bisschen Abwechslung schon ganz geil. Bei uns gibt es nämlich wieder Dal Bhat Power 24 Hour – Beilage Beilage, Beilage und Beilage! Yieha! Na wenigstens wurde das Kartoffelgemüse jetzt durch Kohlgemüse ausgetauscht, was sich auch im Schlafsack bemerkbar macht. Esst mal Kohl und Linsen und Knoblauchsuppe. Da geht abgastechnisch so einiges!

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Punscha, Harka & ich
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Everest am Horizont
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Kloster Tengbosche

Was ist sonst so passiert: In Tengbosche ist das größte Kloster in der Khumbu Region. Die Putscha (Messe) ist für Touristen zugänglich. Die Mönche sitzen dabei in Reihen einander gegenüber in der Mitte des Raumes und beginnen unterschiedlich Mantras aufzusagen. Sie sprechen dabei so schnell und tief, dass es sich mehr wie ein Summen als ein Beten anhört. Zwischen den Mantras gibt es Tee oder heißes Wasser, gelegentlich wird Reis über die Schulter geschmissen und ab der Mitte der Putscha ‚musizieren‘ die Mönche dazu. Wobei sich das Trommeln, Trompeten und Paukenschlagen mehr nach Lärm als komponierter Musik anhört. Trotzdem fühlt es sich sehr meditativ und beruhigend an. Theoretisch, denn: wo Touristen Zutritt haben, sind ignorante Trottel nicht fern und halten die Fahne des respektlosen Kapitalisten weit in die Höhe. Bei den Chinesen klingeln lautstark die Telefone, was zu Gelächter und Diskussionen bei den Amerikanern führt. Die Russen laufen während der Zeremonie wild umher und die Deutschen und Japaner fotografieren die Mönche wie Affen im Zoo. Was sich jetzt ein bisschen überspitzt anhört, ist leider bittere Realität. In 60 Minuten Putscha gibt es keine 5 Minuten ohne ‚Zwischenfall‘ – und man sieht in den Gesichtern der Mönchen ihr Missfallen. Es wird dennoch akzeptiert, die Spendenkasse füllt sich schließlich – so erkaufen wir uns wohl das Recht, an der Putscha teilzunehmen, völlig egal, wie wir uns verhalten.

Die witzige Geschichte des Tages: Auf dem letzten, Kräfte zehrenden Anstieg nach Tengbosche überholt mich doch unverfroren auf halber Strecke ein 12-jähriger Bengel aus Dänemark, der tatsächlich auch noch sein gesamtes Gepäck selbst und ohne Hilfe eines Porters nach oben schleppt! Jetzt fühle ich mich schlecht. Dieses Gefühl hält aber nur 30 Sekunden an, denn dann zieht seine 10-jährige, kleine Schwester an mir vorbei…und sie trägt ebenfalls ihr gesamtes Gepäck. Ich bin sprachlos und würde gerne im Boden versinken! Kann’s mir ja aber schönreden: Ihre Gehirne sind einfach noch nicht so groß wie meines, drücken daher nicht an die Schädeldecke und sind demzufolge nicht anfällig für Höhenkrankheit. Wie einfach man sich selbst belügen kann!

Tagesetappe 6: Tengbosche – Dingbosche (7 Stunden) 

Heute nähern wir uns 4.500 Höhenmetern. Das Landschaftsbild verändert sich komplett, das Wetter ist windig und eisig. Fast während der gesamten Tagesetappe sehen wir die Spitze des Everest, der aber bei Weitem nicht der schönste und beeindruckendste Berg in dieser Region ist. Mein persönlicher Favorit ist der Ama Dablam. Yak Herden stehen in den Hängen, einzelne Gehöfte liegen auf unserem Weg, Restaurant und Shops werden weniger. Was nicht weniger wird ist die Anzahl an alten und neuen Stupas (buddhistische Denkmäler) sowie Gebetsflaggen, welche an Bäumen, Pässen, Steinhaufen und einfach überall befestigt sind. Wunderschön vor solch einer wahnsinnigen Kulisse!

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Yak Herde
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Khumbu Tal
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Dingbosche
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Luxusbude
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Unsere Didi
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Luxustoilette

15 Uhr erreichen wir Dingbosche auf 4.400. Die weiteren 400 Höhenmeter schenken mir beinahe unmittelbar neue Kopfschmerzen und ich verziehe mich nach einem Tee und zwei Aspirin in meinen Schlafsack. Das hilft. Zum Abendessen geht es mir wieder gut.

Was ist sonst so passiert: Der Dinning Room unserer Lodge wurde heute auf herrlich angenehme Sauna Temperatur geheizt, was nach 4-5 Tage frieren beim Abendessen eine angenehme Abwechslung darstellt. Heizmaterial ist Yak-Kacke. Stinkt nicht, hat einen tollen Heizwert und liegt überall kostenlos auf dem Boden. Unsere Didi (ist eine Bezeichnung für die Chefin des Hauses) hat im Vorgarten circa 10 Ster Yakscheiße sitzen. Kinder gehen tagsüber die Exkremente sammeln und bringen sie nach Hause. Dort werden sie breit geklopft und zum Austrocknen in die Sonne gelegt. Danach wird das Brennmaterial gestapelt und trocken gelagert. Eine rundum erneuerbare Energiequelle – vielleicht sollten wir Idas zuhause mal mit Katzenkot versuchen. Soviel wie unsere Katze Kacken ging, könnten wir das ganze Dorf versorgen. Fragt sich nur, wer das Zeug breit klopft!

Die Witzige Geschichte des Tages: In Dingbosche wohnen wir luxuriös. Unser Zimmer besitzt sogar eine eigene Toilette. Normal ist eher eine Etagetoilette oder gar Plumsklo außerhalb. Der Haken: Es gibt keinen Wasseranschluss – lediglich ein 50 Liter Fass steht unmittelbar neben dem Spülkasten. Will bedeuten, der Spülkasten muss manuell gefüllt werden. Trotzdem purer Luxus und sehr geschätzt., draußen hat es nämlich mittlerweile Minustemperaturen und meine Zahnpasta ist in der Tube eingefroren.

Tagesetappe 7: Höhenaklimatisierung Dingbosche

5:30 zum Sonnenaufgang klettere ich aus dem Schlafsack und treffe Jürgen beim Fotos schießen. Meine Fresse ist das eine Kälte. Und die Sonne lässt sich Zeit. Dafür ist es ein herrliches Spektakel, wie sich einzelne Lichtstrahlen durch die Täler ziehen, die Sonne sich an schneebedeckten Gipfeln spiegelt und rot-orange farbene Töne auf die Berge projiziert. Nach dem Frühstück – natürlich Knoblauchsuppe – wasche ich meine seit 6 Tagen permanent getragenen Sachen mit Wasser, das kurz über dem Gefrierpunkt ist. Hauptsache der Geruch geht ein wenig heraus. Cleverer Weise hänge ich die ganzen Kleider zum trocknen auf eine Leine genau über den ausgelegten Heizmaterialien. Am Nachmittag kann ich dann genau dort meine Kleider wieder aufsammeln – inmitten der Yak-Scheiße. Selten so sinnvoll gewaschen.

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Island Peak
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Gebetsflaggen
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Alte Stupa

Was ist sonst so passiert: Jakob geht es richtig schlecht. Beim Mittagessen bekommt unser Mann mit den sieben Mägen keinen Happen hinunter und sein ohnehin schon weißes Gesicht wird immer blasser. Sein Tagesausflug war wohl etwas zu anstrengend und ihn befallen Anzeichen der Höhenkrankheit. Auch mir geht es am Abend wieder schlechter und ich spüre einen leichten Druck im Kopf.

Die witzige Geschichte des Tages: Das Ding mit den Entkeimungs-Tabletten im Tee ziehen wir ja gnadenlos durch – zumindest wenn wir eine gemeinsame Kanne bestellen. Heute im Dinning Room hatte erst jeder individuell eine Tasse Tee ohne Tablette und als dann unsere 2 Liter Kanne kam, traute ich tatsächlich zu fragen, ob wir da jetzt wirklich eine Tablette rein schmeißen wollen. Ja natürlich! Es entzieht sich ein wenig meiner Logik aber vielleicht ist es einfach so ein Durchhalte-Ding. Wir haben das anfangs so entschieden und jetzt ziehen wir es knallhart bis zum Ende durch – Scheiß auf die Logik! Ich kann förmlich spüren, wie wir Alle es für sinnfrei erachten und trotzdem weiter betreiben.

Tagesetappe 8: Dingbosche – Dukhla … aber nicht für mich!

Kein Auge zu gemacht während der ganzen Nacht. Selbst Aspirin und Ibuprofen halfen nicht gegen die Kopfschmerzen. Daher entscheide ich mich am frühen Morgen dazu, den Aufstieg nicht weiter fortzusetzen und an dieser Stelle umzudrehen. Das fällt nicht leicht. Hier laufen Kinder, Rentner, Dicke und am Stock gehende Menschen hoch und schaffen es. Das kratzt als körperlicher fiter Mensch schon ganz schön am Stolz. Aber Höhe ist einfach nicht zu trainieren und es bringt nichts, die Anzeichen zu missachten. Zu viele Rettungshubschrauber sahen wir in den letzten Tagen, die Patienten in einem schlimmeren Stadium der Höhenkrankheit ins Krankenhaus nach Kathmandun flogen, weil sie die ersten Anzeichen ignorierten und trotzdem weiter liefen. Ich will auf eigenen Füßen und bestmöglich ohne Hirn- oder Lungenödem den Rückweg meistern. Daher die Entscheidung zur Umkehr. Jakob geht es ähnlich, er bekam ebenfalls kein Auge zu und tritt gemeinsam mit mir den Rückweg an. Ein letztes gemeinsames Frühstück mit Bernd und Jürgen – dann trennen sich unsere Wege für die nächsten 8 Tage.

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Yak-Heizmittel
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Yak Straßenblockade
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Beginn Unwetter

Unser geändertes Tagesziel heißt Upper Pengbosche auf 4.000 Meter und liegt ein wenig abseits vom großen Touristrom. Absteigen ist die beste Medizin. Kaum in Pengbosche angekommen setzen Regen und Schnee ein und stoppen den ganzen Tag nicht mehr auf. Ich verlasse das Zimmer ohnehin maximal bis zum Dinning Room, da ich mir zu aller Höhenkrankheit auch noch eine Erkältung eingefangen habe und mit Schüttelfrost im Schlafsack liege.

Was ist sonst so passiert: Beim Abendessen treffen wir John aus Minnesota, Teddy von Hawaii und Rönéé und Doreen aus Crimmitschau, Sachsen: „Möi Önglisch ösch nodd sou gudd. Wi arr fröm Görmany, Iiiest Görmany!“ – sehr witzig. Und bitte meine lieben Freunde aus Ostdeutschland, nicht böse auf mich sein. Ich hab Euch alle lieb aber trotzdem hört es sich witzig an! Mit Teddy und John entwickelte sich auch ein super interessanter Abend und ab sofort habe ich ständig eine Couch und ein Surfbrett auf Kuai, Hawaii zu meiner freien Verfügung.

Die witzige Geschichte des Tages: Fällt aus wegen Krankheit.

Fortsetzung:  Base Camp Trek – Teil 2

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