Zwischen Kalahari und Namib – Weihnachten in der Wüste

DSC_3274Tag 598 bis Tag 609, Donnerstag 18.12. bis Dienstag 29.12.2015 – Zwei platte Reifen + lediglich ein Ersatzrad + Mitten in der Wüste = mittelschweres Problem

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Video Kgaglagadi und Namibia

Im Dreiländereck Südafrika, Namibia und Botswana liegt der Kgalagadi Transfrontier Nationalpark. Wir sind zurück in der Kalahari. Das spüren wir bereits auf der dreistündigen Fahrt zwischen Upington, der letzten Stadt in Südafrika, und dem Gate zum Park, Twee Rivieren. Es ist heiß und staubig. Am Tor erfahren wir, dass selbst die Wildnis zur Weihnachtszeit fast komplett ausgebucht ist. Jeder Campingplatz, jede Lodge und jedes Buschcamp ist voll. Schon clever, nicht zu reservieren! Wir müssen nehmen, was wir bekommen. Zwei Nächte in kleinen Buschcamps, eine Nacht im großen Nossob Lager und die erste Nacht auf einem Campingplatz in Two Rivers auf der botswanischen Seite. Aber wenigstens haben wir etwas.

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Kgaglagadi Transfronier Park
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So weit man sehen kann – nichts!

Somit reisen wir am 18. Dezember aus Südafrika aus und sind quasi im Niemandsland – zumindest steht es so in unseren Pässen. Fünf Tage befinden wir uns offiziell außerhalb irgendeines Landes in der Kalahari. Rote Dünenlandschaft, ausgetrocknete Steppen und kahles Buschland bestimmen das Landschaftsbild. Elefanten, Nashörner oder Büffel sucht man hier vergeblich – es ist das Land der Raubkatzen und Hyänen, der Gemsböcke und Schakale. Und es ist heiß. Mindestens 45 Grad im Schatten. Das ist sogar zu viel für eine andere, ganz besondere Spezies im Park: Den südafrikanischen Farmer. In seinem zweifarbigen Hemd, kurzen Khaki Shorts, Wollsocken und Cowboy-Hut ist er unverkennbar. Im einzigen Wasserloch innerhalb des Camps in Nossob, dem 6m x 3m großen Swimming Pool, geht er mitsamt seiner Safarikleidung ein Bad nehmen und kühlt sich ab. Nur die Nasenlöcher und der Cowboyhut sind noch über der Wasseroberfläche. Die Ähnlichkeit zu Nilpferden ist unverkennbar – außer, dass Nilpferde nicht ganz so behaart daherkommen.

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Löwe reisst Gemsbock

In Gharagab, einem nicht umzäunten Buschcamp, reisst ein Löwe keine 200 Meter von unserem Platz entfernt einen Gemsbock und schleppt ihn unter einen schattigen Baum. Seine zwei Weibchen sitzen derweil am Wasserloch, trinken und machen einen Patrouillengang direkt durch unser Camp – zwei Meter an unseren Betten vorbei. Zum Glück stehen wir nicht auf ihrer Speisekarte. Insgesamt sehen wir 37 Löwen und Löwinnen, zahreiche Hyänen, Schakale und afrikanische Wildkatzen. Sogar ein Gepard mit gefülltem Bauch kreuzt unseren Weg. Die Kgalagadi ist der ideale Platz für Raubtier-Fans.

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Gepard mit vollem Bauch
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Löwen am Nossob Camp
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Braune Hyänen am Wasserloch
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Zeig die Zähne

Namibia Am 22.12. verlassen wir den Park bei Mata-Mata nach Namibia. Zu Weihachten wollen wir bei Sossusflei in der Namib Wüste sein. Zwischen Park und Lodge (unserem Weihnachtsgeschenk) liegen 650 Kilometer. Eine Strecke, die wir in knapp 7 Stunden zurücklegen könnten. Könnten! Leider wird es etwas anders. Bereits nach 50 Kilometern hören wir ein unnatürliches Geräusch aus dem Motorraum. Klock Klock Klock Klock Klock. Nein! Nicht schon wieder. Hört sich verdächtig nach einem gebrochenen Ventil an. 600 Kilometer von unserem Tagesziel, 250 Kilometer von der nächsten Stadt und 4.000 Kilometer von unserem Endpunkt der Reise durch das südliche Afrika (Johannesburg) entfernt. Nicht gut.

In Mariental (250 Km weiter) finden wir die einzige Toyota Werkstatt zwischen Windhoek und Südafrika. Allerdings kommen wir zu einer ungünstigen Zeit: 12:30 Uhr. Ab 13:00 Uhr ist Mittagspause und vorher geht nichts mehr. This is Africa. Also warten wir bis 14:00 Uhr, damit sich ein Mechaniker das Auto ansieht. 14:45 die erwartete Nachricht: „Leute, ihr habt ein ernsthaftes Problem! Ventil 1 ist kaputt und schließt nicht.“ – „Können wir das reparieren?“ – „Hey, es ist Weihanchten. Morgen arbeiten wir nur bis 12 Uhr, dann erst wieder am 28.12.“ – „Habt ihr einen Mietwagen?“ – „Haha (das die Antwort mit Gelächter beginnt, stimmt mich nicht gerade optimistisch), unser Kaff ist zu klein für eine Mietwagenfirma. Ich denke ihr müsst einfach mit dem Auto weiter fahren, aber langsam und vorsichtig.

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Unser Weihnachtsgeschenk

Langsam und vorsichtig ist in Namibia nicht wirklich möglich. Asphaltiert ist lediglich die Autobahn B1, alles andere sind mehr oder (oft) wenig gepflegte Schotterpisten. Wir fahren so lange wie möglich auf der asphaltierten Straße, bis Google Maps uns auf eine Nebenstraße leitet. 60 Kilometer bis zur nächsten Hauptstraße. Der Unterschied zwischen Haupt- und Nebenstraße ist in Namibia offensichtlich die Anzahl der spitzen Steine und Schlaglöcher auf der Schotterpiste. Auf der Hauptstraße hält es sich in Grenzen, auf der Nebenstraße… naja, nicht wirklich. Wir versuchen es dennoch. Besser als 150 Kilometer Umweg fahren. Auf den ersten 20 Kilometern passieren wir gefühlt zehn kleine Tore, die wir öffnen und hinter uns wieder schließen müssen. Farmland. Tor 11 ist dann geschlossen…und mit einem Schloss gesichert. No Entry, Privat Property! Kein Durchgang, Privatbesitz! Das darf doch nicht wahr sein. Die von Google Maps angepriesene Strecke ist eine private Farmstraße. Danke Google. Wir müssen umdrehen und 20 Kilometer zurück. Mittlerweile ist es 18:00 Uhr, Sonnenuntergang ist 19:45 und wir haben noch immer 270 Kilometer vor uns…mit einem Ventil weniger im Motor. Und halb vollem Tank. Das wird eng.

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Namibia

Nach 60 Kilometern verlassen wir die asphaltierte Straße erneut. 210 Kilometer Schotterpiste liegen noch vor uns. Der Tank reicht vielleicht noch für 180 Kilometer und wir haben keine Aussicht auf eine Tankstelle bis zu unserem Ziel. Zum Glück ist einer der Reservekanister auf dem Dach noch gefüllt, was uns zusätzliche 60-80 Kilometer geben sollte. 20:30 ist es stockfinster und wir sind die einzigen Leute auf der Straße, abgesehen von den obligatorischen Ziegen, Kühen und Eseln. Dennoch sind wir optimistisch unser Ziel zu erreichen, als sich plötzlich das Fahrgefühl des Toyota rapide verändert. Pffffffffffff. Ein Reifen ist platt! Wenn’s scheiße läuft, läuft’s eben scheiße!

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Reifenwechsel in der Wüste

Jetzt wechseln wir also am 23.12 um 20:45 bei totaler Finsternis in der namibischen Wüste mit Stirnlampen auf dem Kopf unseren Reifen…und das zum ersten Mal. Natürlich ist der Reifen so platt und der Boden so hart, dass der Wagenheber nicht an die vorgesehene Stelle passt. Er geht einfach nicht drunter. Also bocken wir das Auto an der Achse auf. Rumps. Der Wagenheber, der fast bis zum Anschlag ausgefahren ist, rutscht weg. Zum Glück ist der Reifen noch dran. „Denke den sollten wir besser anbringen. Falls uns das passiert, wenn der Reifen weg ist, dann Gute Nacht in der Wüste!Der zweite Versuch klappt besser. Allerdings hat das Reserverad auch nicht sonderlich viel Luft, vielleicht 1,2 bar. Also lassen wir an den anderen Reifen auch noch etwas Luft ab und fahren weiter.

Sie haben ihr Ziel erreicht!“ sagt Google Maps. „Wo bitte?“ frage ich mich. Mitten im nirgendwo suchen wir zwei Stunden vor Mitternacht unsere Unterkunft. In der Situation hat man natürlich auch keinen Handy-Empfang und falls er kurz da ist, geht in der Lodge niemand ans Telefon. Nach einer weiteren Stunde suchen, finden wir das kleine Hinweisschild in Richtung eines Berges. Wir sind da. Nur kommen wir wahrscheinlich mit fünf Zylindern die steile 4×4 Strecke den Berg nicht mehr hoch. Bei Reservierung hatten wir noch sechs Zylinder. Und einen vollen Tank.

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Unser Haus auf Stelzen
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Privatpool in der Wüste

George, der Manager der Moon Mountain Lodge, erwartet uns jedoch bereits…und holt uns ab. Ein wenig Glück am Ende eines verkorksten Tages. Jetzt kann Weihnachten kommen. Zwei sorgenfreie Tage in der Lodge liegen vor uns. Wir haben ein eigenes Haus auf Stelzen, einen kleinen, privaten Pool und eine Aussicht, die nicht in Worte zu fassen ist. Selbst für das Kochen ist gesorgt. Im Vergleich zu den herkömmlichen Nudeln mit Tomatensoße in unserem 2,5 Quadratmeter Zelt ist es der absolute Luxus. Selbst um unser Reifen- und Tankproblem kümmert sich George. Der Reifen wird geflickt, 25 Liter Benzin in einem Kanister bereitgestellt.

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Sossusvlei in Namibia

Am 26.12. geht es weiter Richtung Sossusvlei, ein Platz in der Wüste Namib mit hohen Sanddünen und ausgetrockneten Flussbetten. Mittlerweile fahren wir 850 Kilometer auf 5 Zylindern als wir an ein Schild kommen: „Only 4×4 Vehicels, Deep Sand!“ (Nur Allrad. Tiefer Sand!). Eigentlich sollte hier ein Shuttleservice von der namibischen Parkverwaltung sein. Der Traktor-Shuttle steht da, der Fahrer ist aber verschwunden. Also vertrauen wir auf Uhuru und lassen wieder einmal Reifendruck ab, um im tiefen Sand nicht stecken zu bleiben. Reifendruck ablassen haben wir mittlerweile drauf. 30 Sekunden mit der Messerspitze das Ventil drücken entspricht 0,5 bar. Circa. Aber wer will das schon punktgenau haben? Falls wir steile Dünen hoch müssen, sind wir trotzdem am Arsch. Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Wir gewinnen. In der Abendsonne ist die Landschaft so was von genial und menschenleer (die Tourbusse sind immer morgens vor Ort). Tote, abgestorbene Bäume stehen mitten in der Sandwüste auf weißem Salz-Ton-Boden. Die roten Dünen ringsherum sind bis zu mehreren Hundert Meter hoch. Geilo!

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Uhuru hat es geschafft

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Abgestorbene Bäume in Deadvlei
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Roter Sand soweit das Auge reicht

Diesmal macht es nicht „Klock klock klock klock“ oder „Pffff“, sondern „Chchchchchchchch“. Irgendwo zwischen Sosussvlei und der Grenze zu Südafrika hören wir wieder ein Geräusch. Lokalisierung: rechtes Hinterrad. Es hört sich an, als schleift ein Maschendrahtzaun im Rad! Fachmännisch unfähig wie wir sind, wissen wir uns nicht anders zu helfen, als das Rad abzunehmen und zu schauen. Offensichtlich sehen wir ziemlich hilf- und planlos aus, denn es hält direkt ein Namibier und bietet seine Hilfe an. Wir reinigen die Trommelbremse. Ist gar nicht so schwer. Das Chchchchchchchch ist weg. So, jetzt wissen wir auch, wie man eine Trommelbremse reinigt. Reisen bildet!

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Hauptstraße in Namibia

Reisen erfordert aber manchmal auch ein starkes Nervenkostüm. 250 Kilometer weiter, etwas nach dem Fish River Canyon und 80 Kilometer von der südafrikanischen Grenze hören wir ein neues Geräusch: Pafffffff. Im Vergleich zu Pffffffff ist Paffff ein gehöriges Stück schlimmer, denn bei Pafffff entweicht die Luft aus dem Reifen in Sekundenschnelle, während man bei Pffffffff noch etwas Handlungsspielraum hat. Wieder haben wir also einen platten Reifen. Wir haben ja mittlerweile eine gewisse Routine darin und machen uns erstmal keine Sorgen. Erstmal! “Sag mal, hörst Du das auch?” frage ich Susi. “Was?” – “Na dieses Pffffffffff?Vom rechten, gänzlich platten Hinterrad laufen wir zum linken Hinterrad. Das Geräusch ist gefunden. Ein spitzer Stein steckt auch hinten links und lässt die Luft langsam entweichen. Jetzt haben wir wirklich ein Problem. Mit einem Ersatzrad und zwei Platten lässt sich schlecht durch die Wüste fahren. Wieder sehen wir etwas planlos aus und wieder hält ein anderer Reisender, um uns zu helfen. Der Südafrikaner hat in seinem Landrover einen Kompressor. Wir wechseln also das Paffffff Rad und pumpen das Pfffffff Rad bis auf 2,3 bar auf. Mal schauen wie weit wir damit kommen. Die nächste kleine Siedlung ist 15 Kilometer entfernt. Dorthin schaffen wir es und finden tatsächlich eine Werkstatt, die uns für 13,33 Euro beide Reifen flickt. Na also, geht doch.

Ab jetzt sind wir wieder auf geteerten Straßen und sollten zumindest keine Reifenprobleme mehr haben. Mal sehen, wie lange das Fahren auf 5 Zylindern noch gut geht. 2.500 Kilometer hätten wir noch vor uns.

1 Comment

  1. Also für mich zumindest sieht der gepard schwanger aus. Würde ja auch ungefähr in die jahreszeit passen, oder? 🙂

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