Tag 36, Sonntag 08.06.2014 – Gibraltar
“Einfach mal planlos sein” hoch 4 – oder: die Rezeption meines Reisemottos durch all meine temporären Reise-Etappen-Freunde!
Gemessen an der Lage für Wochenendausflüge erweist sich Malaga zunemhlich als optimaler Ausgangspunkt um jegliche Schandtaten abzuhaken, die der ADAC Andalusien-Reiseführer anpreist. Heute auf dem Programm: Frühstück mit den Schönen und Reichen in Marbella und anschließend in den Einflussbereich der Queen: Gibraltar. Alles nicht weiter als insgesamt zwei Autostunden von Malaga entfernt.
Zum Leidwesen eines meiner Mitreisenden starten wir heute wieder einmal recht früh am Morgen und tuckern nach Marbella zum Frühstück. Was gibt es besonderes in Marbella? Mmmhh, höchstwahrscheinlich nichts spektakuläres, das mich interessieren könnte aber man muss es ja mal gesehen haben. Und so ist es auch…Marbella hat, welch Überraschung, eine Strandpromenade, einen Hafen, ein Einkaufszentrum, einen Strand (wo offensichtlich eher Reiche liegen, denn schön ist niemand) und sonntags kostenlose Parkplätze – Wow, ich bin überwältigt. Ganz kurz anhalten, frühstücken, Check! Lasst uns weiterfahren, ich will jetzt Afrika sehen. Unser eigentliches Reiseziel ist schließlich Gibraltar, von wo aus es nur noch wenige Kilometer nach Marokko sind und das afrikanische Festland zum Greifen nah erscheint.


Mit Hilfe Susannes (mein freundliches Navigationssystem) tuckern wir also auf der Autobahn Richtung Gibraltar und brainstormen sämtliche Informationen, die uns zu dem kleinen Land am Südzipfel Spaniens einfallen und die nützlich für einen Tag Sightseeing sein könnten. Meine Infos halten sich in Grenzen, ich reise ja schließlich planlos durch die Welt. “Gibraltar spielt in der nächsten EM-Quali gegen uns” und “Wir müssen in britischen Pfund bezahlen” werfe ich ins Rennen und stelle fest, es sind keine sonderlich hilfreichen Aspekte hinsichtlich Planung der Tagesaktivitäten. Die Schweizerin Kathi weiß: “Da gibt es einen Felsen mit Affen” und David sagt “Ich hab gelesen, man parkt am besten draußen!” – “Wie draußen?” “Ja draußen halt, nicht im Land sondern außerhalb, in Spanien!”. Auch nicht schlecht – wir fahren also nicht nach Gibraltar, sondern laufen. Da das ganze Land aber auch nicht größer ist als Bruchsal, sollte es funktionieren (für meine Freunde zuhause: wir parken also in Karlsdorf und laufen nach Bruchsal!). Das war’s dann aber auch schon gewesen mit unserem umfassenden Wissensreichtum – und ich stelle fest: Meine Reise-Etappen-Freunde nehmen mein Motto des “Entfach mal ungeplant seins” reichlich ernst und adaptieren meinen Reisestil auf jede Lebenslage.
Angekommen “vor” Gibraltar parken wir unser Auto und gehen zu Fuß über die Grenze. Direkt danach stehen wir an einem weiteren Hindernis, eine geschlossene Schranke. Was passiert hier? Das sieht aus wie ein Rollfeld…tatsächlich, ein Flugzeug landet! Ist ja witzig. Das Rollfeld gleicht einem Bahnübergang. Wenn gerade ein Flugzeug startet oder landet sind die Schranken geschlossen, ansonsten spaziert man über das Rollfeld nach Gibraltar. Direkt nach dem Bahnübergang haben wir die einmalige Chance, an einem Automaten eine vernünftige Karte des Landes für die Orientierung zu kaufen. Für 1,- Euro oder 1,- Pfund. Jetzt passiert etwas aus dem Lehrbuch der Stereotype: Kathi würde die Karte gerne kaufen aber 3 Testosteron-gesteuerte, in der Ehre verletzte und für den horrenden von Preis von 1,- Euro zu geizige Höhlenmenschen legen ihr Veto mit den Worten ein: “Quatsch, sowas brauche wir nicht!” – und wie wir sie gebraucht hätten! Ohne Karte aber mit Hunger und Durst begeben wir uns also weiter in Richtung vermeintliches Zentrum des Landes. Vorbei an Containerhafen, Trockendecks, gibraltanesichen (???) Gettos und zahlreichen anderen Attraktionen, die offensichtlich nicht die Mehrheit der Touristen anziehen (eigentlich sind nur wir hier), suchen wir eine Schenke für unsere Mittagspause. Gefühlte 90 Minuten später finden wir sie. Erdbeer-Mojito und ein Salat mit süß-sauer eingelegten Hühnchenbruststreifen – das bisherige Highlight des Tages!

Frisch gestärkt visieren wir nun die Besichtigung der tatsächlichen Attraktionen an: Der Affenberg. Neben den Affen gibt es dort weiterhin ein WW2 Tunnelmuseum (2. Weltkrieg) und schöne Wanderwege (Aussage unseres Kellners). Keines davon sollten wir je erreichen! Anstelle der schönen Wanderwege suchen wir zunächst den Weg zur Seilbahn, die wir zwar finden, die aber erschreckend teuer ist. Die erste Lehre des Tages (Kaufe eine Karte!!!) hat den Weg in unser Kleinhirn jedoch noch nicht vollzogen und so entscheiden wir: “Wir sparen die 8,95 Pfund und laufen den Berg hoch…ohne Karte! Alter, wie doof kann man sein! Vorbei an weiterer Industrie, weiteren Containerhafen und weiteren Gettos wandern wir auf der Suche nach einem potentiellen Aufstieg immer weiter Richtung Afrika…bis es nicht mehr weiter geht, außer wir beginnen zu schwimmen. Wir haben es tatsächlich geschafft, ein ganzes Land zu Fuß zu durchqueren – wer kann das schon von sich behaupten? Am südlichsten Zipfle Gibraltars sehen wir jetzt zumindest Afrika…Wow – sieht aus wie Europa von weitem! Wenigstens kann ich mein “Das-Muss-Man-Mal-Gesehen-Haben-Heft” ein CHECK machen und Gibraltar abhaken.



Was nun? Wir haben eigentlich nur zwei Optionen. Da das Glück ja manchmal mit den Dummen ist, befindet sich hier am Ende der (europäischen) Welt tatsächlich eine Bushaltestelle, an welcher auch gerade ein echter Bus wartet. Option 1 wäre also, gechillt in den Bus einsteigen, gemütlich zurück zur Seilbahn fahren, zähneknirschend 8,95 bezahlen und zu den Affen gondeln. Unglücklicher Weise ist da aber noch Option 2: Wir fragen einfach den Busfahrer, wo denn ungefähr der Wanderweg beginnt, der auf den Berg führt. Und dann laufen wir – so wie geplant! Fuck Option 2! Natürlich geht die Abstimmung 1 zu 3 aus, Kathi will fahren, wir laufen! Und tatsächlich finden wir sogar Treppen und Wege, die erst einmal nach oben führen…jedoch leider nicht lange, dann kommt entweder ein Sackgase, ein von Geröll verschütteter Weg oder einfach Schilder wie “Durchgang verboten”, “Vorsicht, Lebensgefahr” oder mein Favorit “This is a military area. Do not pick up anything, it could explode and may kill you!” – aaaahhh, es könnte also explodieren und mich eventuell töten. Message received, Nachricht ist angekommen, wir drehen um und laufen denselben, langweiligen, dreckigen Weg zurück. Der Bus ist natürlich bereits abgefahren und Taxis sind keine in Sicht.
Murphys Gesetzt: Beinahe zurück am Ausgangspunkt unserer 3,5-stündigen Odyssee (mittlerweile ist es knapp 18 Uhr und ohnehin zu spät für einen Aufstieg auf den Berg!) erspähen wir ein Hinweisschild, das den Wanderweg auf den Berg anzeigt. Manchmal denke ich, das Schicksal bestraft einen ganz bewusst und reibt einem die eigene Blödheit so richtig schön unter die Nase! Wir passieren/irgnorieren also das erste nützliche von gefühlt insgesamt 1.000 Schildern und gehen weiter Richtung “anderes Ende des Landes” – ich hoffe mir müssen nicht an einem Tag gleich zweimal durch ein komplettes Land laufen. Endlich finden wir ein Taxi, der Fahrer liest Zeitung und sagt: Sorry besetzt! Was? Du liest Zeitung und machst Pause! Wir schleppen uns also weiter bis zur nächsten Bushaltestelle und harren der Dinge, die da kommen – hoffentlich ein Bus. Zum Glück. Dieser bringt und bis fast ans Ende des Landes und während wir es genießen, in einem motorisierten Personenbeförderungsmittel zu sitzen, ziehen am Fenster sogar schöne Stadtteile Gibraltars an uns vorbei. Wo hatten die sich denn den ganzen Tag versteckt? Egal, ich will raus hier.
Endlich wieder an der Grenze angekommen beabsichtigt Kathi, uns die geballte Doofheit des Tages vor Augen zu führen, indem sie jetzt beim Verlassen des Landes eine Landkarte für 1,- € erwirbt und unsere Laufwege des Tages einzeichnet. Leider funktioniert noch nicht einmal dieser Plan, denn der Automat nimmt zwar dankend den Euro an, spuckt jedoch keine Karte mehr aus – wahrscheinlich haben an diesem Tag eben alle Touristen (mit Ausnahme von 4 Trotteln) hier eine Karte gekauft und der Automat ist leer. Wenn man schon kein Glück hat, kommt auch noch Pech dazu. Was bleibt aus Gibraltar? Wenn wirklich Alle ungeplant sind wird’s schwierig, der Mojito ist ein Traum, der Rest ein Trauma! Zumindest bewiesen wir Konsistenz und trafen einen ganzen Tag lang keine einzige richtige Entscheidung! Das will auch erst mal jemand schaffen!
Ich bin kein Kommentar, ich fege hier nur die Scherben dieses Trümmertags zusammen…
Ich fands schön 😀 wir haben an dem tag Geschichte geschrieben!