Tag 287 bis Tag 308, Sonntag 15.02. bis Samstag 07.03.2015 – Zelten mit Grizzlys und Schafen: Drei Wochen campen auf der Nordinsel Neuseelands von Cape Reigna bis zum Tongariro Nationalpark.
… großartige Tage in Asien sind vorüber, eine neue Etappe beginnt: Neuseeland. Bereits bei der Einreise in Neuseeland erkenne ich unterschiede. „Zeigen Sie bitte die Sohle ihrer Schuhe!“ höre ich vom Zollbeamten. Neuseeland wacht mit Argusaugen über seine geliebte Natur und versucht mit allen Mitteln das Einführen ungewollter Tier- oder Pflanzenarten zu verhindern. Einen Apfel im Gepäck vergessen und nicht deklariert? 500$ Strafe Bitteschön! Trekking-Zelt mit im Gepäck? Ab in die Quarantäne! Zum Glück war Jetstar (Australischer Billigflieger) schon so freundlich und hat beim Einsteigen sämtliches Handgepäck nach Wasser durchsucht und einkassiert, selbst das Wasser, welches nach der Flughafen Sicherheitskontrolle gekauft wurde. Aber warum auch nicht, schließlich verkaufe sie Wasser zum Schnäppchenpreis von 7,- $ im Flugzeug. Fast wie geschenkt, da braucht man ja nichts selbst mitnehmen…zum Glück kostet die Toilettenbenutzung nichts, da kann ich dann meinen Mund am Wasserhahn befeuchten!
Backpacker Auto kaufen oder mieten?
Eine Nacht im Hostel in Auckland, dann geht es los zum Road Trip. Auto kaufen oder Auto mieten? Camper oder Kombi oder normales Auto? Wir würden gerne kaufen, allerdings verlassen wir Neuseeland gegen Ende der Saison in Christchurch und müssten einen relativ großen Preisabschlag einkalkulieren. Zusätzlich noch das Risiko des Totalschadens, der Versicherung, etc. – Mieten erscheint die bessere Alternative, was ohne Reservierung allerdings kein Kinderspiel ist. Jucy Car, Omega Rentals, Quality Cars, etc. – kein preislich erschwingbares Backpacker Auto innerhalb der nächsten 7 Tage verfügbar! WTF! 7 Tage Auckland? Neeeein! Mein Motto ‚Planlos sein und spontan entscheiden‘ stellt sich in diesem Fall als äußerst schwierig heraus. 17:30: Wir sind auf der Straße mit einem Nissan Tida von Ezi Car, unserer letzten Option und sogar noch relativ preiswert mit 34,- $/Tag.

Das Nordland
Von Auckland nordwärts erstreckt sich das lang gezogene Nordland mit der Tasman See auf der westlichen und dem Pazifik auf der östlichen Seite. Aufeinander treffen die Meere an Cape Reigna, dem ‚nördlichsten Punkt‘ Neuseelands und zeitgleich wärmste Region der Insel. Die letzten 100km ans Cape gibt es weder Tankstellen noch Geldautomaten, lediglich eine winzige Siedlung passieren wir auf der einzigen befahrbaren Straße. Was ein riesiger Unterschied zum dicht besiedelten Deutschland.


Zelten auf DOC Campingplätzen ist der absolute Hammer. Gelegen an den schönsten Plätzen unmittelbar am Meer in abgelegenen Buchten weitab jeglicher Zivilisation bieten sie den perfekten Ort, um die ursprüngliche Natur zu genießen. Am Sternenhimmel sieht man die Milchstraße! Kalte Duschen, manchmal Trinkwasser, Plumsklos – mehr ist nicht an diesen Plätzen zu finden, weshalb sie von Luxus-Campern auch selten angesteuert werden. Es ist ruhig, man ist für sich. Geil!
Schlüssel und Grizzlys
An einem dieser abgeschiedenen Orte passiert uns morgens ein kleines Missgeschick. Susi bricht den Autoschlüssel beim Öffnen der Fahrertür ab – aber Puh: Die Tür lässt sich noch ganz normal öffnen und verschließen. Glück gehabt. Wir gehen wandern ohne uns weiter Sorgen zu machen. Erst als wir zurück kommen und los wollen dämmert uns die Frage: ‚Wie wollen wir das Auto eigentlich starten? Mir halbem Zündschlüssel?‘ – einen Ersatzschlüssel gab es von der Autovermietung natürlich nicht und als Antwort auf meinen ‚Hilfe-Anruf‘ erwidern sie knapp: „I think you may have a searious problem!“ (Ich glaub ihr könntet ein ernsthaftes Problem haben). Der neuseeländische ADAC (AA) hat ebenfalls keine Lösung nach Schema F parat und ruft uns nach 30 Minuten zurück. Ein Schlüsseldienst würde kommen und uns einen neu angefertigten Schlüssel bringen. Anfahrtszeit vom nächst gelegenen Schlüsseldienst: 2 Stunden. Preis: 345,- $ in Cash. Da der nächste Geldautomat ebenfalls 2 Stunden entfernt ist, zählen wir unser Bargeld. Mit allen Münzen kommen wir auf 347,- $, Glück gehabt.

Nicht weniger aufregend wird die Nacht auf dem nächsten DOC Platz bei Cape Reigna. Im kleinen 2,2 qm Zelt gibt es leider noch keine eingebauten Kühlschränke oder Indoor Toiletten, weshalb man besonders bei Blasenschwäche oder übermäßigem Weingenuss die Nachtruhe unterbrechen und das Zelt verlassen muss. Als Susi dieses schwierige Unterfangen gegen 3:00 Uhr in Angriff nimmt und einen Fuß vor unseren Wohnungseingang setzt, springt sie Millisekunden später wieder rückwärts ins Zelt mit einem Gesichtsausdruck, als hätte Sie gerade erneut eine Schlüssel abgebrochen. „Da draußen ist ein Tier so Groß wie ein Grizzly. Das hat mich gerade angeschaut!“ – ein Grizzly, ist klar. Todesmutig (und mit dem Wissen, dass es in Neuseeland absolut keine gefährlichen oder giftigen Tiere gibt – außer vielleicht Haie oder Quallen, die aber sicher nicht vor unserem Zuhause patrouillieren!) verlasse ich das Zelt, um dem Grizzly die Stirn zu bieten. „Wo ist er Susi?“ – „Der hat sich in dem Busch versteckt!“ – der 2,5 Große Grizzly versteckt sich also im winzigen Büschlein neben unserem Zelt. Logisch. Okay, er bekam wahrscheinlich einen mindestens ebenso großen Schreck, als plötzlich eine schlaftrunkene Blondine in Pyjama vor ihm stand. Um Susi zu beruhigen, uriniere ich direkt neben dem Busch, und markiere das Revier um den Grizzly (vielleicht eher Ratte, Possum oder Wildkatze) in seine Schranken zu weißen. Der Rest der Nacht war natürlich trotzdem gelaufen. Jedes Geräusch bestätigt nämlich, dass das Tier weiterhin um unser Zelt schleicht und nur darauf wartet, bis es uns hinterlistig im Schlaf überfallen kann.
Kanu Trekking auf dem Whanganui River


Zischen Cape Reigna und dem zentral gelegenen Taumarunui gibt es landschaftlich unglaublich viel zu entdecken. Riesige Sanddünen an der Tasman See, der 90 Mile Beach, Küstenstraßen an Steilklippen, Schaafsweiden, Wiesen, Wälder in satten, unterschiedlichsten Grüntönen, der Forgotten World Highway, Tropfsteinhölen, Wasserfälle und vieles mehr. Taumarunui ist unser Ausgangspunkt für eine zweitägige Kanu-Trekkingtour. Zelt, Proviant, Ausrüstung und warme Kleidung wird in drei große Fässer geladen und auf unserem Zweierkanu fest verzurrt. Aber wo sitzt wer? „Daniel. Du sitzt vorne, ich hinten!“ entscheidet Susi. Okay, warum nicht. „Aber hinten wird gesteuert, also der Boss sitzt hinten!“ – empfiehlt David bei der Einweisung ins Kanu fahren. „Dann sitzt Du hinten Daniel!“ entscheidet sich Susi um. Allein schon, dass sie bestimmt wer wo im Kanu sitzt lässt Rückschlüsse auf die tatsächliche Boss-Funktion schließen. Aber egal, ich übernehmen das Kommando…denke ich. Auf der Bounty wurde sicher nicht schlimmer gemeutert als während der ersten 30 Minuten in unserem Zweierkanu. ‚Unbootmäßigkeit‘ lautet der militärische Fachbegriff, wenn ALLE Entscheidungen des Kommandanten untergraben werden und die Crew ein Eigenleben entwickelt. Ich sage rechts, sie paddelt links. Ich will nach links, die meuternde Crew nach rechts. Vor allem in Stromschnellen entwickelt meine Hilfskraft ein Eigenleben. Die Antwort auf jedwede, eindeutige Anweisung meinerseits ist keinesfalls die simple Ausführung, sondern ein Satz, der ausnahmslos mit „Aber….“ beginnt und gleichzeitig das Stoppen jeglicher Ruderbewegung beinhaltet. Als Begründung höre ich immer wieder, ich könne rechts und links nicht unterscheiden…aber das liegt ja nun wirklich im Auge des Betrachters. Wenn ich links sage, will ich schließlich, dass sie rechts paddelt und wir nach links fahren. Was ist daran denn so schwer? 😉
Nach einigen Stromschnellen, unnötigen Drehungen und zahlreichen Meinungsverschiedenheiten gebe ich das Kommando kurzzeitig an Susi ab, um das Wasser aus dem mittlerweile gefüllten Kanu zu schöpfen. „Sag bitte, wenn Du meine Hilfe brauchst!“ – „Nein, klappt ohne Dich!“. Aus dem Augenwinkel sehe ich in einiger Entfernung erneute Stromschnellen auf uns zukommen. „Passt alles, brauche keine Hilfe!“… die Stromschnellen kommen näher, können aber wohl nicht so stark sein… „Alles im Griff, läuft perfekt ohne Dich!“ …“Daniel?“ – “Ja“ – „Jetzt bräucht ich Deine Hiiii…..!“ wir fahren ungebremst auf Felsen in den Stromschnellen. Das Kanu kentert, wir stürzen in den Fluss, das Boot füllt sich bis zum Rand mit Wasser. Zum Glück habe ich gerade 10 Minuten mühselig abgeschöpft! Irgendwie schaffen wir es dennoch, im Wasser stehend das Kanu aus den Stromschnellen zu manövrieren und dabei sogar GoPro und Paddel festzuhalten. Zumindest 50% der Zwei-Personen-Crew schaffen es. „Mmmhh, ich glaub mein Paddel ist weg….und unser ganzes Trinkwasser auch. Die Flaschen lagen einfach auf dem Boden und waren nicht in den Fässern!“. Shit. Nach 30 Minuten schon das Trinkwasser und ein Paddel verloren. Das Ersatzpaddel im Farbton Schamesröte muss herhalten. Jeder erkennt sofort, dass wir eines der herkömmlichen gelben Paddel verloren. Das fängt ja gut an.

Keine 60 Minuten später haben wir Paddel und Wasserflaschen wieder gefunden. Susi’s Adleraugen sind genial. Okay, ich bin ja auch mit steuern und paddeln beschäftigt, während sie vorne die Landschaft beobachtet. 7 bis 8 Stunden rudern wir gemütlich flussabwärts entlang an kleinen Wasserfällen, grünen Wiesen, Kuhweiden, Felsformationen und Wäldern. Absolute Stille. Unser Zeltplatz ist heute nicht viel mehr als eine Wiese mit einer Anlegestelle für Boote und einem Regenwassertank. Spaghetti mit Tomatensoße auf dem Gaskocher und ein 3 Liter Schlauch Weißwein bilden einen perfekten Abschluss eines tollen Tages.
Die Geschichte mit dem Schaaf
Nach weiteren 6 Stunden auf dem Fluss erreichen wir unseren Abholpunkt, von dem aus wir zum Kanuverleih zurück gefahren werden. Der Rückweg über einen Feldweg kommt Susi komischer Weise bekannt vor. „Hier waren wir schein einmal!“ – „Bitte? Wie kommst denn da drauf!“ – „Na hier schau, das Schaaf da am Straßenrand. Da waren wir vorgestern auch schon! Das stand da auch“ Bitte was? Hab ich das gerade richtig gehört? Wir orientieren uns anhand der Schafe am Straßenrand? In Neuseeland? Das Land mit mehr als 40.000.000 Schafen! Und Susi erkennt genau das Eine am Straßenrand wieder. Respekt. Das ist als würde man auf offener See sagen: ‚Hey, hier ist ne Welle, hier waren wir schon mal. Dreh um!‘. Meine rechts-links Schwäche fällt angesichts dieses Orientierungsverhaltens überhaupt nicht mehr ins Gewicht. Immerhin habe ich eine faire 50/50 Chance auf eine Treffer.

Zurück am Auto bleibt nicht viel Zeit unsere sieben Sachen zu packen und zum Tongariro Nationalpark aufzubrechen. Ab Morgen steht das erste absolute Highlight in Neuseeland an: Der Tongariro Northern Circuit – eine viertägige Wanderung rund um den Schicksalsberg. Hoffentlich stehen ausreichend Schafe am Straßenrand, damit wir den richtigen Weg finden.
Lammkotelettes in Coromandel



Nach Tongariro fahren wir wieder nordwärts, was letztendlich dazu führt, dass wir nur die halbe Nordinsel sehen werden. Bei knapp drei Wochen ist mehr aber auch nicht möglich, will man nicht komplett hetzten und täglich Stunden im Auto verbringen.
Mit Stopps in Taupo, Rotorua und Tauranga fahren zur Coromandel Halbinsel, um ein paar Tage Sonne zu tanken und Strand zu genießen. Besonders vom DOC Campingplatz Port Jackson sind wir begeistert. Zu erreichen nur über eine 25km lange, meist einspurige Schotterpiste an der Küste der Tasmansee liegt der Campingplatz in einer langgezogenen Bucht und bietet neben kalten Duschen und Plumsklos auch einen Grill. Ein Grill! Das erste Fleisch seit Ankunft in Neuseeland. Lammkotelettes in feiner Marinande. (Hoffentlich nicht unser Orientierungs-Lamm für die Rückfahrt). Der Genuss nach Tagen mit Nudeln, Reis und trocken Toast ist kaum in Worte zu fassen.
Am 07.03. machen wir uns auf zurück nach Auckland. Auto abgeben und am Flughafen den ganze Tag auf unseren Nachtbus Richtung Südinsel warten. Nach 8 Stunden Zeit totschlagen am Flughafen verpassen wir zwei Helden unseren Transferbus. Bei lediglich 8 Stunden an der Haltestelle kann man den Bus aber auch verpassen! Kein Ding. Preis: 46,- $ mit Flughafen Shuttle zur Haltestelle des Nachtbusses. Distanz: 6km. Und ich dachte thailändische Tucktuck-Fahrer sind Abzocker. Aber wir bekommen unseren Anschluss und reisen auf die Südinsel, wo uns weitere Highlights erwarten sollen.