Tag 189 bis Tag 196, Sonntag, 09.11. bis Sonntag 16.11.2014 – Unterwegs mit Bus, Fähre und zu Fuß in Teilen Malaysias
„Von Kuala Lumpur nach Mersing fährt alle 30 Minuten ein Bus“ meint der Concierge im 5* Hotel Kuala Lumpur, als ich mich nach einer Verbindung Richtung Tioman erkundige. Denkste! Um 5 Minuten verpasse ich den letzten Bus für die nächsten 6 Stunden. Irgendwie ist das typisch für viele der Locals, die ich bisher getroffen habe. Egal ob in Marokko, Spanien, Nepal oder Malaysia – wenn sie keine Ahnung haben, erfinden sie einfach irgend etwas! Hauptsache dem Touri ne Auskunft gegeben! Da Lob ich mich doch den Spruch ‘Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal Fresse halten!‘. Aber was soll’s, ich frag einfach am Schalter, wohin der nächste Bus fährt. Melaka in 20 Minuten. Das ist grob Richtung Süden, also verlasse ich mich auf das Schicksal.
Das Discovery Cafe Hostel wird mir am Busbahnhof von einem Schweden empfohlen und siehe da, es macht einen ordentlichen Eindruck. Herbergsvater ist ein circa 55 jähriger Engländer, der seit 20 Jahren am Reisen ist und momentan eben das Hostel hier schmeißt. Ich bin einfach „Mr. Germany!“, bekomme direkt Ms America, Mr Sweden und Ms England vorgestellt – richtige Namen kann sich Alan leider nicht merken. Er ist ein bisschen wie mein Onkel Trixer – kann keine zwei Minuten seinen Mund halten und weißt jedem Spitznamen zu.

Nach dem Check-In nimmt er also quasi die halbe Welt mit zum Mittagessen zum gegenüberliegenden Inder. Echt eine ausgezeichnete Betreuung. Beim Inder würde ich gerne Nasi Goren bestellen, gibts nicht. Okay, dann eben das Sonntag Set Menu, gibts nicht. Okay, dann vielleicht Roti (Art Pfannkuchen) mit Curry, gibts nicht. „Was habt Ihr denn?“ – „Reis mit Dal und Gemüse!“ Aaaahhh, ich bin zurück bei Dal Bhat Power. Ich bekomme allerdings Lamm dazu und es schmeckt wirklich super lecker. Nach 10 Tagen ohne Dal Bhat bin ich schon fast auf kaltem Entzug – und diesmal esse ich sogar mit den Fingern. Das Bestellprozedere beim Inder ist übrigens immer identisch. Wir suchen uns was aus, das gibts nicht, Alternative, gibts auch nicht, usw. bis er uns letztlich das Essen sagt, das es gerade gibt. Dal Bhat halt! Was sonst? Könnten es ja theoretisch auch gleich beim ersten Versuch bestellen…aber wahrscheinlich wäre es dann gerade nicht zu haben.

An Highlights bietet Melaka nicht sonderlich viel. Es gibt eine alte, christliche Kirche, in der die Frau von Jan van Riebek beerdigt wurde. Wer ist aber Jan van Riebeck? Kenne ich zufällig, der holländische Gründer meiner absoluten Lieblingsstadt, Capetown. Ansonsten ist da noch der Nachtmarkt und die ‚Hello Kitty‘ Tikshas (mit lautstarker Technomusik). Gemeinsam mit Ms. England schlendere ich durch die Gassen und wir bleiben beinahe an jedem Stand hängen. Nahezu keiner ist identisch. Es gibt hier wirklich alles, der Trödeltrupp wäre im Schlaraffenland! Dazu auch alles mögliche an Essbarem (auch wenn’s manchmal nicht danach aussieht). Heute auf unserer Speisekarte: In Palmblättern gegrillte Fischwurst. Klingt komisch, ist auch komisch. Isst man wohl als kleinen Snack so zwischendurch. Für mich bleibt es einmalig. Danach werden uns getrocknete und frittierte Fischchips zum probieren angeboten. Alter, ist das widerlich! Wir vermuten, das dieser Shop einfach nur ein Scheingeschäft ist und eigentlich mit dem direkt daneben positionierten Fruchtsaft-Frischhandel zusammenhängt. Nach den Chips ist ein Drink dringendst notwendig! Das ist die eigentliche Einnahmequelle, das Geschäftsprinzip funktioniert. Schenk den doofen Touris nen widerlichen Fisch-Chip, dann müssen sie die teuren Säfte kaufen.

Ohrkerzen ist ein anderes Highlight, das wir uns aufschwatzen lassen und später im Hostel ausprobieren. Wie zwei Kerzenständer liegen wir auf dem Boden und haben je eine brennende Kerze in einem Ohr – sie zieht Dämonen und wahrscheinlich Ohrenschmalz heraus. Tolle Sache. Die abgebrannten Kerzen löschen wir in einer Kaffeetasse und hoffen, dass sich nicht der nächste Kaffeetrinker unsere Dämonen mit einverleibt. Jedenfalls sehen wir echt bescheuert aus, als wir so auf dem Boden liegen und ‚brennen‘. Wenn jetzt Amerika, Schweden und Spanien zurück kommen, denken sie, wir müssen zwei Vollspacken sein. Egal, morgen ziehe ich wieder weiter.
Die Busfahrt nach Mersing dauert knappe 5 Stunden, einmal quer von West nach Ost durch Malaysia. Mit der Fähre geht es weiter nach Palau Tioman, wo gerade die Monsunzeit beginnt. Den bekomme ich direkt bei Ankunft zu spüren. Es schütte aus Kübeln für circa 90 Minuten, danach ist alles vorbei und ich kann meinen 45 Fußmarsch bei 90 Prozent Luftfeuchtigkeit nach Air Batang starten. Ich schwitze leicht. In ABC (Abkürzung für Air Batang) treffe ich auf geschlossene Resorts, geschlossene Restaurants, geschlossene Tauchschulen. Es gibt nur einen Weg ins Dorf, ich sehe keine Menschenseele für 5 Minuten. Der Lonely Planet hat mit der Behauptung wohl nicht gelogen, dass die Insel ab November leer und fast alles geschlossen ist. Was ein Zufall, dass der erste Menschen den ich treffe ein Deutscher ist. Christian macht hier gerade einen Tauchkurs und bleibt auch für eine Woche. 20 Ringgit für das Mehrbettzimmer ohne Moskitonetz, 25 Ringgit für einen Einzelbungalow mit Moskitonetz und Ventilator – da fällt die Entscheidung nicht schwer, zumal 5 Ringgit 1,25 Euro sind. Bin ich froh über das Moskitonetz, in der Monsunzeit sprießen die hier wie die Schnaken in Altrheinarmen am KKW Phillipspurg! Gezählt 12 Stiche seit meiner Ankunft – trotz einer Unmenge an Mückenspray! Unfassbar.

Ab 18 Uhr haben dann sogar zwei Restaurants, eine Bar und 5 kleine Supermärkte geöffnet, wobei die Supermärkte überwiegend leere Regale vorweisen. Eis ist generell ausverkauft. Es ist eben Nebensaison, da wäre es ja Quatsch, Cola, Bier, Chips und Schokolade nachzukaufen. Wird ja schlecht bis Februar! In der offenen Strandbar treffen sich gefühlt sämtliche Touristen von Air Batang, insgesamt 5 an diesem Abend, und einige Locals. Ein Malaie spielt Gitarre und singt, andere Trommeln, andere rauche einen Joint oder trinken Bier. Richtig gechillt und gemütlich. Das Inselleben begeistert mich.


Postkarten idyllische Traumstrände bietet Tioman noch obendrauf. Nicht direkt in ABC, aber auch nicht weit davon entfernt. Über einen Dschungelweg gelangt man an Resorts mit Privatstrand (Resort geschlossen) oder an gänzlich unberührte Strände. Okay, ich kämpfe mich ein bisschen euch den Dschungel, springe mal einen kleinen Felsen hinunter aber die Belohnung ist es wert. Türkiesblaue schimmerndes Wasser, feiner Sandstrand, schräg über das Wasser hängende, einzelne Palmen, in ihre Höhlen krabbelnde Krebse und keine Menschenseele weit und breit, den ganzen Tag nicht. Paradies, ich hab Dich gefunden…fast. Allein sein birgt lediglich einen Nachteil: Die Heerscharen an Moskitos, Sandfliegen und Ameisen finden nur ein einziges Opfer – mich! Das stört dann doch ein wenig in meinem Paradies! Und meine Dummheit stört mich ein wenig! Endlich an einem vernünftigen Strand angekommen, ziehe ich meine Kleider aus und renne ins Wasser. Leider ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschweden, dass der Boden nicht zwangsläufig überall sandig ist. Clever Daniel, ich renne also direkt in ein Korallenfeld und schneide mir die Fußsohle auf! Gut gemacht und vorteilhaft auf einer Insel, auf der man alles zu Fuß erledigt.

Der Trekkingpfad von ABC nach Juara führt einmal quer über die Insel 3 Stunden durch den Dschungel. Dank der hohen Luftfeuchtigkeit sind bereits nach 5 Minuten unsere T-Shirts und Hosen durchtränkt von Schweiß. Trekking im Dschungel ist kein Vergleich zu Nepal, wo sich so gut wie nie auch nur einen Schweißtropfen am Körper bildete. Ganz anders auf Tioman. Hier tropft dir das Wasser vom Kinn, wenn du dich beim Kacken auch nur eine Minute zu lange anstrengst! Christian und ich quälen uns über den Berg, da der Lonely Planet auf der anderen Seite einen perfekten Surfstrand verspricht und die Saison Anfang November beginnen soll. Muss wohl ein Druckfehler im LP sein. Hier gibt es zwar einen tollen Strand mit Surfpotential, das Wasser erreicht jedoch mit meditativer Ruhe den Rand des Ozeans. Ich würde gerne schreiben, dass die Wellen winzig sind, das wäre jedoch maßlos übertrieben, da es schlichtweg keine Wellen gibt! Dafür aber auch keine Korallen. Oder bewohnte Resorts und Bungalows. Immerhin finden wir ein geöffnetes Restaurant und beschlagnahmen danach einfach einen der Strandbungalows für den restlichen Tag. Ps: Laut Locals kommen die Wellen frühestens Anfang Dezember lieber Lonely Planet.



Christians Tagesaufgabe ist das Jagen und Erlegen einer Kokosnuss – muss man auf einer Insel wohl einmal gemacht haben. Ich schaue einfach nur zu und gebe kluge Ratschläge von meiner beschlagnahmten Liege aus. Das erste Problem: wie jage ich eine Kokosnuss, die in 4 Meter Höhe an einer Palme hängt (die 100 am Boden liegenden wäre ja zu einfach, bzw. sind schon tot!). Mit Stein und Dachlatte bewaffnet wird das Vorhaben angegangen. Nach nicht einmal 30 Minuten ist eine Nuss am Boden. Dazwischen hätte ihn der Stein beinahe viermal erschlagen, als er von den Kokosnüssen abprallend in seine Richtung zurück geflogen kam. Zweites Problem: wie erlege ich eine Kokosnuss, die zwei Schalen hat. Nach erfolglosen 15 Minuten mit einem Messer auf die Schale einstechend, resigniert Christian vorläufig und sucht Rat bei ein paar Malaien. Ihre Antwort: „Für 5 Ringgit bekommst Du eine geöffnete Kokosnuss!“ Haha, geschäftstüchtige Locals, aber nicht gerade wonach Christian gesucht hat. Also stechen wir ein bisschen weiter auf die Nuss ein bis die äußere Schale vermutlich aus Langeweile nachgibt. Der innere, feste Kern erscheint die größere Herausforderung. Jedoch bereits beim ersten Versuch, sie mit einem Stein zu öffnen, platz sie in drei Teile – die Kokosmilch verteilt sich im Sand, aber das erbeutete Fleisch schmeckt lecker.
Der Rückweg nach ABC ist die Hölle. Anstatt durch den Dschungel entscheiden wir uns für die beinahe doppelt so lange Straße. Natürlich regnet es. Und es wird Dunkel. Meine Fußwunde ist mittlerweile offen und ich versuche sie mit Tempos und Panzertape ein wenig zu schützen. Kurz vor Telek haben wir dann endlich ein wenig Glück. Erst können wir per Anhalter die letzten paar Kilometer nach Telek fahren, dann treffen wir zufällig Ms England, die kurzfristig auch nach Tioman gekommen ist und gerade mit ihren Leuten ein Barbecue am Straßenrand zaubert. Wir bleiben zum malaiisch-libyschem Essen. Der Koch und Sponsor des Abends ist Jack ‚Romel‘ Sparrow, ein Georgier mit jamaikanischen Wurzeln, der als DJ um die Welt reist und sich gerade auf Tioman ein Boot bauen lässt. Nicht die Black Pearl, sondern die ‚One Love‘. Sobald sie fertig ist, segelt er nach Neuseeland. Ist schon faszinierend, was für Leute man auf Reisen kennenlernt, einen super Abend zusammen verbringt und dann weiterzieht.

Mitten in der Nach wache ich auf. Ein Krabbeltier sitzt auf meiner Brust. Als es mein Aufwachen bemerkt, rennt es weg. Ein Geko? Eine Spinne? Keine Ahnung, ist aber auch egal. Tiere gibt es hier ohnehin überall. Von Eichhörnchen jagenden Hauskatzen über Nüsse werfende Affen, Leguanen, Fledermäusen bis Pythons sieht man hier alles. Eine Python hängt ständig im Baum über der Brücke, die zur Bar führt. Aber es kümmert keinen. Gefährlich sind wohl nur die Kobras, aber davon gäbe es nicht mehr so viele.

Die letzten beiden Tage verbringe ich beinahe mutterseelenalleine in Juara. Beim Einchecken sehe ich, dass der letzte Gast am 23.10. auscheckte, heute ist der 14.11. – noch Fragen? An der einzigen Kreuzung des Dorfes versammelt sich die ältere Generation nachmittags um eine Art Domino zu spielen, die Jungen treffen sich am Strand zum Fußball. Frühstück, Mittag, Abend bei Kak Long Café, das einzig durchgehend geöffnete Restaurant. Ansonsten? Nicht viel. Am Strand liegen, Lesen, Ausspannen und sich gegen Moskitos verteidigen – die gibt es leider überall in Massen. Ganz im Gegensatz zu Wi-Fi oder Telefonverbindung – ein Ort völliger Abgeschiedenheit, ehe ich am 16.11. nach Singapur aufbreche.