Granada ist Granate!

Tag 48 und 49, Freitag 20.06 und Samstag 21.06.2014 – Granada

Granada ist Granate – oder: “…jetzt weiß ich endlich wofür der Klee da ist!” 

Für den Trip nach Granada und die Besichtigung der Alhambra gilt es ein zweites Gibraltar zu vermeiden. Zumal eine Eintrittskarte für die Alhambra ohnehin nicht so einfach zu bekommen ist und wir 3 Wochen im voraus buchen und planen müssen. Unser Teilzeitreiseleiter David nimmt das in die Hand, besorgt die Tickets für die Alhambra und reserviert 6 Betten in einem Hostel, da jeder rät, mehr als nur einen Tag in Granada zu verbringen. Der Plan ist, Freitag nach der Schule in aller Ruhe in die 130 km entfernte Stadt zu fahren, ein wenig die Altstadt zu besichtigen und Tapas zu essen. Für Samstag steht ab 14 Uhr die Besichtigung der Alhambra auf dem Programm, wobei unsere tatsächliche Zeit für den Einlass in den Palast auf 19 Uhr festgelegt ist – und Deutschland spielt um 21 Uhr. Es macht mich ein wenig nervös, da bisher unsere Zeitmanagement gelinde gesagt nicht immer zu 100% erfolgreich aufging.

Freitag, 16:30 Uhr: Ich bin perplex, Leoncito ist tatsächlich fast zur vereinbarten Zeit abreisebereit und wir könnten vermeintlich starten. Treffpunkt Casa David. Es fehlt: David plus Bruder. Offensichtlich arbeitet die Autovermietung am Flughafen mit derselben spanischen Gelassenheit wie die Kassiererin im Supermarkt, die Bedienung im Café oder der “Serano-Schinken-Schneider” in der Metzgerei. Für letzteres gibt es sogar offizielle Meisterschaften, wobei hier zweifelsfrei die Dünne der Scheiben und nicht die Serviergeschwindigkeit das Gütekriterium darstellt. 18:00 Uhr…endlich sind wir auf der Bahn, kommen gut voran und erreichen gegen 19:30 die Stadtgrenze Granadas. Laut Susi (Navi) fehlen uns noch 3,5 km bis zu unserem Hostel, das ziemlich zentral liegen soll. “Ziemlich zentral” trifft den Nagel augenscheinlich auf den Kopf, denn bei 2,4 km verbleibend stehen wir vor Speedbreakern (aus dem Boden herausfahrende Absperrungen) und einem Schild, dass in etwa sagt: “ab hier nur Anwohner!“. Die Absperrungen lassen sich mit Chipkarten herunterfahren – die wir natürlich nicht besitzen. Adaption unseres Plans: wir müssen die Speadbreaker wohl irgendwie umfahren und einen anderen Weg finden…Susi, bitte helfen! Leider ist es wie mit jeder Frau, der man sagt, dass ihre Idee nicht funktioniert. Sie stellt auf stur und geht in den “Bitte wenden!” Modus – tolle Hilfe Susanne! Auf uns allein gestellt irren wir jetzt mehr oder weniger durch kleine, verwinkelte Gassen, ignorieren “Durchfahrt verboten” Schilder, ernten vorwurfsvolle Blicke der Anwohner sowie Touristen (wir sind wirklich im Zentrum!) und suchen verzweifelt einen Weg zu unserem Hostel. Einen Weg, der immer enger und schmaler zu werden scheint. Die ersten Hinweise auf eine Verengung der Straße auf 2,10 m, 2,00 m und 1,90 m nehmen wir zwar wahr, ignorieren sie aber tiefenentspannt. Bei der Warnung vor einer Fahrbahnbreite von 1,80 m kann ich das nicht mehr behaupten. Wie breit ist Dein Auto noch mal Trixi? David plus Anhang im Führungs-Auto scheinen meine Besorgnis zu teilen und stoppen ebenfalls – hoffentlich haben sie die 5,- Euro Aufschlag für Vollkasko ohne SB gebucht ;-). Jedwedes Überlegen hilft nichts, hinter uns bildet sich bereits eine Schlange an drängelnden Rollern und hupenden Autofahrern. Spiegel anklappen, Augen zu und durch…oder steckenbleiben, das werden wir sehen. Die Hauswände rechts und links der Gasse zeugen jedenfalls von einigen Problemen bei der Durchfahrt, sind sie doch mehr mit Autolack als Fassadenfarbe gepinselt. Zum Glück besteht Trixers Auto ja ebenfalls zu Großteilen aus Fassadenfarbe – von diesem Gesichtspunkt betrachtete müssten die Hausbesitzer also froh sein, würde ich komplett an ihrer Wand entlang schlittern und ihr einen neuen Anstrich verpassen.

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1,80 Durchfahrt
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Spiegel ran und durch
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Trixers Auto mit Blick auf Alhambra

Aber es geht gut, beide Autos passieren schadlos das Hindernis. Kaum 200 Meter weiter gelangen  wir schließlich in eine Sackgasse, die unmittelbar an der Alhambra gelegen ist….und tatsächlich befindet sich hier auch unser Hostel. “Ziemlich zentral” beutetet in Davids Welt also im Herzen der Stadt, direkt in der Fußgängerzone und Luftlinie 50 Meter von der größten Touristenattraktion Andalusiens (und auch Europas) entfernt – tatsächlich ziemlich zentral. Gut gemacht. Wäre da nicht noch der komische Umstand, dass die beiden Autos 1. geparkt werden wollen und 2. wir uns in einer für unsere Autos absolut verbotenen Zone befinden (was uns durch circa 5 Schilder mitgeteilt wurde, die wir aber bislang wissentlich ignorierten). Problem 1 lösen zwei freundlichen Kellner eines Restaurants. Offensichtlich gibt es hier in der ganzen Altstadt genau 10 kostenlose Parkplätze und zufälliger Weise befinden sie sich genau hier…vor ihrem Restaurant. “Hier könnt ihr auf jeden Fall parken, da passiert nix!” (nem Spanier trauen? Das hat ja schon einmal gut funktioniert). Jedoch bestätigen die Verkehrsschilder tatsächlich die Aussagen der Kellner. Manchmal ist das Glück mit den Dummen. Die Parkplätze sind zwar nicht frei, jedoch meinten die Kellner, wir sollen gemütlich ein Bier bei ihnen trinken und warten bis die Leute wegfahren. Wenngleich man hier einen typischen Touristentrick vermuten könnte, funktioniert es. Nach dem zweiten Bier stehen beide Autos einwandfrei auf rechtlich genehmigten Plätzen. Ein Traum. Problem 2 löst sich unmittelbar im Hostel. Unsere Kennzeichen tippt der dortige Bedienstete für Empfang und Service in die Datenbank der Stadt-Politessen. Chapeau Reiseleiter David. Zu allem Überfluss ist das Hostel auch noch wirklich wirklich schön (White Nest Granada).

Auch wenn der Zeitplan nicht ganz hingehauen hat, was in Spanien übrigens nie der Fall ist, läuft prinzipiell alles wie am Schnürchen. Jetzt noch ein bisschen in die Altstadt vor der Haustür, ein paar Tapas schnabulieren und Bierchen trinken. Zu unserer Überraschung gibt es in Granada tatsächlich zu jedem Getränk Tapas, so dass wir nicht einmal selbst Tapas bestellen – wir müssen einfach nur genug trinken. Wer hätte gedacht, dass ich tatsächlich einmal ernsthaft sagen kann: Sieben Bier ist auch eine Mahlzeit. Die Qualität der Tapas schwankt von überragend (eine Platte Kusskuss, süß-sauer gebratenes Hähnchen) bis zu ernährungstechnisch suboptimal und geschmackstechnisch ausbaufähig (Schinken-Käse-Toast aus dem Sandwichmaker). Aber wer will nach sieben Bier noch meckern. Ich will nur noch ins Bett und das machen wir auch…Junior (Leon) ist auch froh darüber und fällt unmittelbar in den Tiefschlaf. Das bedeutet bei ihm jedoch nicht, dass auch sein Mundwerk im Tiefschlaf ist. Der Meister der Diskussion und Herr der vielen Worte redet nämlich auch im Schlaf ungetrübt weiter und teilt uns froher Stimme mit, dass “…er jetzt endlich weiß, wofür der Klee da ist!” Am nächsten Morgen weiß er es irgendwie nicht mehr so richtig…Schade, es hätte mich so sehr interessiert, wofür dieser verdammte Klee denn jetzt da war. Klatsch, Klatsch!

Churros und Schokolade
Churros und Schokolade

 

Stapelmann in Granada
Stapelmann in Granada

 

Samstag, 11:30 Uhr: Nach ausreichend Schlaf und auschecken aus dem Hostel sind wir um 11:30 auf der Suche nach einem typischen andalusischen Frühstück: Churros! Man sollte ja alles einmal testen. Ein Churro ist ein Fettgebäck vergleichbar der deutschen Karnevalskrapfen. In Öl frittiert und länglicher Würstchenform dargereicht, isst man Churros getunkt in dickflüssige, geschmolzene Schokolade…ohne wären sie einfach zu gesund! Ich tippe mal, dass eine Portion dieser spanischen Spezialität den Kalorienhaushalt einer Woche locker abdeckt. Aber warum nicht, man ernährt sich ja ansonsten immer bewusst und ausgeglichen.

14 Uhr ist schließlich Einlass in die Alhambra. Wie gesagt, die Hauptattraktion, den Nasridenpalast dürfen wir erst um 19 Uhr besichtigen. Bis dahin bietet die riesige Festungsanlage jedoch weitere Sehenswürdigkeiten. Wunderschön und kunstvoll angelegte Gärten mit zahlreichen Plätzen zum verlieren und eine eindrucksvolle Befestigungsanlage mit tollem Blick auf Granada sind unsere ersten Ziele innerhalb der Alhambra. Die 15,- Euro Eintritt ist dieses Weltkulturerbe tatsächlich Wert. Nach mittlerweile zwei Stunden schlendern, fotografieren, staunen und bewundern spüre ich jedoch zunehmend, wie mein Ich-schau-mir-eine-Sehenswürdigkeit-an Motivationspegel rapide abfällt…und wir haben noch 3 Stunden bis zum Einlass in den Palast. Die Energie der Churros neigt sich ebenfalls dem Ende und es muss schleunigst etwas Laune gewinnendes unternommen werden. Spaniens Allheilmittel: Siesta.  Leider fällt das inmitten hunderter anderer Touristen ein wenig schwierig, dennoch versuchen wir es und siehe da, es hilft….temporär, aber besser als nichts. Die letzte Stunde bis zum Einlass zieht sich wie Kaugummi – hoffentlich lohnt es sich.

Es lohnt sich. Das Innere des Palastes entpuppt sich tatsächlich als extrem schön. Vor 700-800 Jahren gehörte es sicher zu den Luxusimmobilien Granadas. Das Blöde an so einem Weltkulturerbe-Palast ist, außer das es keine doppelt schallisolierten Fenster gibt und die Satelittenschüssel nicht zum Baustil des Hauses passt, dass zeitgleich mit mir gefühlt 1.000 weitere Menschen durch die Räume, Gärten, Flure und Treppen geschleust werden. Nein, ich bin nicht doof und mir war durchaus bewusst, dass ich nicht der einzige Besucher bin – dennoch wird mir erneut klar, dass ich kein Mensch für Massentourismus bin und den Besuch solcher Attraktionen für den weiteren Verlauf meiner Reise eher einschränken sollte. Zweifelsohne ist die Alhambra eine wunderschönes Fleckchen Erde, jedoch fehlt die Ruhe und Einsamkeit, das Schöne wirken zu lassen.

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