Tag 653 bis Tag 663, Donnerstag 11.02. bis Sonntag 21.02.2016 – Wild Campen, Wandern und Frieren am Ende der Welt
Buenos Aires 30 Grad, schwül – Ushuaia, 5 Grad, regnerisch. Unsere Ankunft in Feuerland ist nicht gerade feurig warm. Irgendwie ein trügerischer Name, Feuerland, denn auch im Sommer ist es hier oftmals arschkalt. Die südlichste Stadt des südamerikanischen Kontinents nennt sich selbst ‚Fin del Mundo’ – Ende der Welt.

Im Hostel Cruz del Sur treffen wir Achim, einen hochmotivierten Deutschen, der wie wir zum Wandern und Campen nach Patagonien gekommen ist. „Geht Ihr auch nach Port Williams runter und macht die 5 Tage Wanderung?“ ist seine erste Frage. Respekt, der Junge muss fit und gut ausgerüstet sein. Port Williams liegt auf der anderen Seite des Beagle Kanals, gehört zu Chile und ist eine fast unbewohnte Insel. Regen, Wind, Matsch und vielleicht ein bisschen Schnee inklusive. Daher lautet meine Antwort: „Ne, eher nicht. Das ist uns zu kalt und unangenehm!“ – „Ist doch nicht kalt, hat nachts immer über 0 Grad!“ – „Ja, ist trotzdem nix für uns.“ Was für Warmduscher, muss sich Achim wohl denken. Zehn Minuten später treffen wir ihn im Zwiegespräch mit Jörg, der gerade die Wanderung hinter sich gebracht hat. Offensichtlich hat Achim von Tuten und Blasen keine Ahnung, war noch nie Trekken und hat sich seine ganze Ausrüstung vor drei Wochen im Internet bestellt. Zum Testen des Equipments hat er sich jetzt diese Wanderung ausgesucht. 5 Tage alleine in einer absolut abgelegenen Region, die wettertechnisch – gelinde gesagt – anspruchsvoll ist. Zudem hatte er geplant, dort zu angeln und sich so selbst zu versorgen. Zum Glück kann Jörg ihm die Tour ausreden. Typen gibt es. Achim ist traurig …aber er bleibt am Leben.


Wir entscheiden uns lieber für eine Tageswanderung im Nationapark Tierra del Fuego mit Thunfisch aus der Dose. Ist sicherer für uns. Entlang der Küste spazieren wir bis zum Ende der 25.000 Kilometer langen Panamerica. Sie beginnt im Norden in Alaska und endet im Nationalpark bei Ushuaia. Für zahlreiche Reisende auf Motorrädern, Fahrrädern oder im Auto ist es das Ziel ihrer Reise. Wir haben immerhin die letzten 10 Kilometer zu Fuß geschafft. Für uns geht es jetzt, wie sollte es auch anders sein, nach Norden. Aber weder zu Fuß, noch bis nach Alaska.
Von Ushuaia reisen wir mit dem Bus weiter nach Punta Arenas in Chile. Wer in Patagonien reist, pendelt stets zwischen Chile und Argentinien. Dort treffen wir Wolf und Angus (sein Landrover Defender) wieder, die wir zum ersten Mal in Botswana, dann in Kapstadt und Buenos Aires getroffen haben. Irgendwie witzig, man trifft sich in einem Camp in Botswana, grillt, trinkt, bleibt in Kontakt und läuft sich dann mehr oder weniger zufällig ‚am Ende der Welt’ wieder über den Weg. Er ist gerade unterwegs nach Ushuaia. Da die Wettervorhersage für unser geplantes Ziel, Torres del Paine, nicht allzu rosig aussieht und Wolf eine coole Socke ist, beschließen wir, dass wir mit ihm nochmal nach Ushuaia fahren und Feuerland etwas anders kennenlernen. Der Unterschied zwischen ‚Fernbusreisen’ und ‚eigenem Auto’ ist einfach riesig…und lässt sich in einem einzigen Wort beschreiben: Unabhängigkeit.


Anders als mit dem Bus ist es ein langsameres, ein intensiveres Reisen. Wir fahren Umwege, um an einem See eine Brotzeit zu machen. Wir orientieren uns an Sehenswürdigkeiten wie beispielsweise der Fahrt zur einzigen Königspinguin-Kolonie außerhalb des antarktischen Kontinents. Wir stoppen bei grasenden Guanacos (Kamel-Unterart) auf ewig weiten Steppen und beobachten. Unabhängigkeit bedeutet andererseits auch, einfach wild zu campen wo man gerade ist. Die erste Nacht verbringen wir auf einer Schaf-Estancia (Farm). Im alten Wellblech Verschlag können wir Feuer machen, auf einer freien Fläche unser Zelt aufschlagen und die Bäuerin versorgt uns obendrein noch mit Kartoffeln, Zwiebeln und frisch gebackenem Brot. Auf der Murika (eine gusseiserne Pfanne) grillen wir Rindfleisch und braten Kartoffeln. Einfach geil.
Beim Essen gibt es allerdings das erste kleinere Problem: „Boah Jungs, ist Euer Fleisch auch so zäh wie meines?“ fragt Susi mit ihrem scharfen Laguiole Steakmesser in der Hand. „Wieso zäh?“ – „Na meines lässt sich überhaupt nicht schneiden!“ – Wolf und ich schauen erst zu Susi, schauen uns dann verdutzt an – „Susi, Du solltest vielleicht die Plastik-Schutzhülle von der Schneide nehmen, dann könnte es mit dem Schneiden besser klappen.“


Im umgebauten Landrover Expeditionsauto müssen wir während den Fahrten ein wenig improvisieren. Eigentlich ist Angus ein Zweisitzer. Susi nimmt hinten zwischen Spüle, Kühlbox und Vorratsschrank platz. Auf den Schotterpisten wird sie regelmäßig von herunterfallenden Schlafsäcken angegriffen. Trotzdem ist es herrlich bequem und ein tolles Reisen.
Zurück in Ushuaia kommen wir auf eine seltsam verrückte Idee: „Hey, wie wäre es, wir schauen mal bei einem der Touranbieter für Antarktisexpeditionen vorbei? Die haben sicher gute Last Minute Angebote!“ Zweieinhalb Stunden später sitzen wir mit Kaffee in der Hand und breitem Grinsen auf den Backen bei Free Style Tours. We did it. Wir haben eine ‚Expedition’ zur Antarktis gebucht. Das Schiff legt übermorgen ab.
Den einen Tag überbrücken wir mit einer steilen Wanderung zum Cerro Cuanaco mit einem grandiosen Blick über Ushuaia und den Beagle Kanal. Die Nacht verbringen wir in einem Wohncontainer in einem Hostel, das keine Lizenz besitzt und nicht offiziell zu finden ist. Free Style Tours hat es uns empfohlen… man kennt sich halt, am Ende der Welt.