Tag 664 bis Tag 673, Montag 22.02. bis Mittwoch 02.03.2016 – Kayak fahren, Stand Up Paddling und Champagner trinken in der größten Wildnis der Welt.
Die zahlreichen Eindrücke unseres perfekten ersten Tags in der Antarktis mit Polar Plunge, Zodiac Cruise und epischem Sonnenuntergangs hinter Eisbergen sind noch nicht verdaut, als wir am Morgen des zweiten Tages um 7:00 Uhr von Shelys Stimme über die Lautsprecheranlage der Ocean Endeavour geweckt werden: „We just arrive at the beautiful Lameire Channel. So everybody on deck please.“ (Wir erreichen gerade den Lameire Kanal. Also alle an Deck.)

Heute gibt sich die Antarktis mehr wie ich sie mir vorstellte. Wolkenbedeckt ist der Himmel, absolut still das Meer. Die massiven Gebirgszüge mit herablaufenden Gletschern zu beiden Seiten des Lameire Channel spiegeln sich im dunkelblauen Wasser. Unser Ankerplatz ist nur noch wenige Minuten weit entfernt. Der Platz unseres ersten Landgangs.
Der erste LandgangInmitten einer kleinen Kolonie Gento Pinguine betreten wir zum ersten Mal festen Boden. Das Expeditionsteam ist bereits seit einiger Zeit an Land und hat mit roten Flaggen Wege für uns markiert, damit wir einerseits die Kolonie nicht zu sehr stören, andererseits nicht über gefährliche Eisfelder oder Gletscher laufen. Ende des Sommers ist die Landschaft nicht komplett schneebedeckt, es ist vielmehr eine Mischung aus Eis, Schneematsch, Geröll, Steinen und einer ordentlichen Menge Pinguin-Kacke! Kein Wunder. Seit Monaten verbringen die Pinguine die Zeit an Land, um mit der einsetzenden Schneeschmelze Eier zu legen und Küken aufzuziehen. Noch einen Monat, dann müssen die jungen Pinguine wassertauglich sein, damit sie vor dem nahenden Winter die Brutplätze mit der Kolonie verlassen können. Momentan sehen die Chicks (Küken) noch aus wie fette Kinder in dicken Daunenjacken. Das Tragische: wenn sie diese Daunenjacken (erstes Gefieder) nicht innerhalb der nächsten Wochen ablegen, sterben sie mit Einbruch des Winters. Die ‘Daunenjacke‘ ist nicht wassertauglich.


Auf uns machen sie jedenfalls einen lustigen, verspielten und neugierigen Eindruck. Diese Chicks. Breitbeinig und mit nach hinten gelegten Flügeln stolpern sie herum. Verfolgen sie einen Erwachsenen ins Wasser, müssen aber auf dem Absatz kehrt machen, weil die 2,4 Grad auch für sie einfach noch zu kalt sind. Sie kommen so schnell wieder an Land, wie wir beim Polar Plunge. Einfach witzig.
Wird ein Chick allerdings von einer Leoparden Robbe aufgegriffen, verläuft es etwas weniger witzig für das Chick. Es wird nämlich einfach ‚auf links gedreht’, d.h. es wird an den Füßen gepackt und bei lebendigem Leib so lange in der Luft hin und her geschleudert, bis das Innere sich nach außen dreht. Die Robbe kann dann genüsslich schlemmen, ohne die zähe Haut zu essen. Naja, immer noch besser als von einem der Skuas (Vogelart) langsam zu Tode gepickt (und dabei gegessen) zu werden. Viele Chicks stehen daher in kleinen Gruppen zusammen. Das schreckt die Angreifer nicht wirklich ab, erhöht aber die statistische Chance, nicht das Opfer zu sein. Einfach schneller wegrennen als der Langsamste lautet das Motto. Der Kreislauf des Lebens – er ist allgegenwärtig in der Antarktis. Auf links gedrehte, abgenagte Pinguine liegen einige auf unserem Weg.

Stand Up Paddle und KayakWeil eine Tour zur Antarktis nicht verrückt genug ist, versuchen Susi und ich uns noch im Stand Up Paddling. Wolf geht derweil täglich Kayak fahren. Mit unserem Guide Megan, einem Zodiac und sechs SUP-Boards (übergroße Surfboards) geht es los. In Dry Suites (Trockenanzügen) klettern wir vom Schlauchboot auf unser recht stabiles Board, versuchen bestmöglich nicht ins arschkalte Wasser zu fallen und paddeln zunächst auf Knien ein wenig umher. Nach kurzer Eingewöhnung können wir aufstehen. Die neongrünen Boards bilden einen tollen Kontrast zum tiefblauen Wasser und dem grauen Himmel. Zweieinhalb Stunden ziehen wir unsere Kreise zwischen Eisbergen und Gletschern. Robben auf Eisschollen sind zum Greifen nah, vielleicht fünf Meter entfernt. Zudem ist es vor allem eines: lautlos. Selbst der Zodiac Fahrer hat den Motor abgeschaltet und rudert hinter uns her. Es gibt einfach nur dich, dein Board, und die sagenhafte Umgebung, die du individuell erleben darfst. Unbeschreiblich. Gemeinsam mit der Kayak-Tour wahrscheinlich die intensivste Weise, die Antarktis vom Wasser her kennenzulernen.
Evening-CruiseAls weitere Entschädigung für die raue See während der Drake Passage, lädt das Quark Expeditionsteam zu einer optionalen Zodiac-Abend-Cruise durch den Lameire-Channel. War der Kanal schon bei der Durchfahrt am Morgen imposant, ist es am Abend aus der Zodiac Perspektive mit einem 0,5 Liter Überlebenspack Gin Tonic pro Person einfach nur geil. In unsere dicken Jacken gehüllt genießen wir jede Minute, selbst die letzten zehn, als uns unvermittelt ein kleiner Schneesturm zittern lässt. This is Antarctica. Die heiße Sauna wartet.
Der 7. KontinentAm Nachmittag des 27.02. setzen wir Fuß auf die Landmasse des antarktischen Kontinents. Unsere beiden vorherigen Landgänge waren auf vorgelagerten Inseln, erst jetzt können wir voller Stolz behaupten, wir sind auf dem 7. Kontinent. Okay, für mich ist es erst der 6. Kontinent. Bislang fehlt mir die unwichtige Gegend, die sich Nordamerika nennt. Wolf und Susi hingegen waren jetzt auf allen sieben Kontinenten dieser Erde. Unglaublich. Es gibt wohl wenige Menschen, die das von sich behaupten können.


In Neko Harbour laufen wir zu einem kleinen Aussichtspunkt über der Bucht. Neben dem riesigen Gletscher wirkt die Ocean Endeavour wie eine kleine Nussschale. Mit 50 Zentimetern pro Tag bewegt sich die Eismasse Richtung Meer. Regelmäßig kalbt der Gletscher, d.h. große (oder kleine) Eisbrocken brechen ab und werden zu treibenden Eisbergen. Nach dem obligatorischen Foto mit der Flagge der Antarktis, packen Mike und Anne eine Flasche Champagner aus ihrem Rucksack. Flitterwochen über sieben Kontinente will auch gefeiert werden. Anständig teilen sie mit uns. Genial.
Randnotiz: Betrachtet man die durchschnittliche Höhe der Landmasse, ist die Antarktis der höchstgelegene Kontinent der Erde (Im Durchschnitt über 3.000 Höhenmeter). Würde das komplette Eis der Antarktis schmelzen, stiege der Meeresspiegel um mehr als 50 Zentimeter. Für Holland oder Hamburg wären das keine allzu rosigen Aussichten.
Süd Shettland Inseln„Fahren wir jetzt wieder weiter nach Norden?“ fragt Susi beim Abendessen nach unserem Kontinental-Landgang. Peter, ein 70-jähriger Australier übernimmt die Antwort: „We are almost at the South Pole, from here everything is north!“ (Wir sind beinahe am Südpol, von hier geht es immer nach Norden). Eigentlich wäre hier der einzige Punkt auf der Welt, an dem das Orientierungs-System meiner Schwester tatsächlich funktioniert: Norden ist IMMER vorne. Wenn sie sich dreht, dreht sich Norden mit. Das klappt nur hier.
An den Süd-Shettland Inseln stoppen wir letztmals für weitere Landgänge und Zodiac Fahrten. Auf Deception Island sehen wir die Überreste alter Walfang- sowie Forschungsstationen und eine Menge Robben. Während der Fahrt zum letzten Ankerplatz, Aitcho, begleitet uns ein Schwarm Orcas. Aitcho ist derzeit besiedelt von riesigen Pinguinkolonien, Chinstraps und Gentos. Tausende der Vögel tummeln sich am Strand und auf den Felsen. Naseweis und hungrig trauen sie sich bis auf Zentimeter an uns heran, einer möchte unsere Kamera essen. Man kann diese Pinguine in ihrem tollpatschig wirkenden Gang einfach nur mögen – auch wenn ich gerne einmal gesehen hätte, wie einer ‚auf Links gedreht’ wird.
Kurz nach dem letzten Landgang wird der Anker eingezogen und wir nehmen Kurs Richtung Norden. Richtung Drake Passage. Diesmal erwartet uns jedoch ein freundlicher Mister Drake mit moderaten Wellen und ganz ohne Sturmtief. Fast schon langweilig und wir können unseren Hang-Over nicht auf das schlechte Wetter schieben. Zwei Tage dauert die Überfahrt nach Ushuaia. Zwei Tage, um über das erlebte zu reflektieren und festzustellen: die größte Wildnis der Welt ist ein ganz besonderer Flecken Erde, wunderschön und fesselnd. Eine echte ‘once in a life-time‘ Reise.
Wow, wunderschöne und beeindruckende Bilder! Unfassbar, diese Landschaften. Da treibt einfach mal ein Hochhaus aus Eis durch die Gegend!
Machst du eigentlich noch Nordamerika? So oder so, sicher ist sicher: Wenn du zurück kommst, hast du mehr gesehen als 10 Durchschnittsmenschen in ihrem gesamten Leben!
In den Videos sieht es oft so aus, als würdest du was in die Kamera erzählen, aber man hört meistens nix. Erzähl doch mal ein bisschen V-Log mäßig!
Liebste Grüße aus Kölle!
Hey Leoncito, für Nordamerika wird es nicht mehr reichen. Aber das ist auch nicht so schlimm.
Mit Ton ist es leicht schwierig: GoPro Gehäuse, Hintergrundgeräusche etc. Aber ich versuch es zu beherzigen 😉