Expedition Antarktis – Teil 1

DSC_4432_01Tag 664 bis Tag 673, Montag 22.02 bis Mittwoch 02.03.2016 – Einfach mal Planschen gehen… bei 2,4 Grad zwischen Eisbergen und Gletschern. 

Antarktis, der 7. Kontinent. Nie hätte ich mir am Anfang meiner Reise träumen lassen, dass ich eine Kreuzfahrt ins ewige Eis unternehmen werde. ‘Dem Sommer hinterher reisen’ – das war die grobe Idee, nicht den kältesten Fleck der Erde besuchen. Jetzt sind wir aber schon mal in Ushuaia, der südlichsten Stadt der Erde. Die Antarktis lockt in greifbaren 1.000 Kilometer Entfernung und beinahe täglich verlassen Expeditionsschiffe den Hafen gen Süden. Wie könnte man da widerstehen?

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Video Antarktis – Teil 1

Auf der Ocean Endeavour, einer umgebauten Autofähre, starten Wolf, Susi und ich unsere ‘Expedition’ genannte Luxus-Kreuzfahrt. 172 weitere Passagiere, überwiegend der älteren Generation aber auch einige Last-Minute-Backpacker, werden versorgt von 150 Crew-Mitgliedern. Was ein Verhältnis! Susi und meine Doppelkabine hat wahrlich alles doppelt. Zwei Betten, zwei Fernseher, zwei Bullaugen, zwei Räume und sogar zwei Badezimmer. Vor zwei Tagen noch im Zelt auf dem Boden schlafend,  fühlen wir uns hier wie Könige. Dazu Sauna, Pool und Essen vom österreichischen Koch beinahe rund um die Uhr – schon eine ganz spezielle Expedition!

Die Drake PassageSpeziell ist auch der Wellengang auf der Drake Passage. Auf der knapp 800 Kilometer langen Meeresstraße zwischen Südamerika und der Antarktis treffen Atlantik und Pazifik aufeinander. Hier fließt auch der antarktische Zirkumpolarstrom, der beständig die Antarktis umrundet und so für das extrem kalte Klima der Antarktis verantwortlich ist. „Hey Guys, you get good value for money“ (Ihr bekommt viel für Euer Geld geboten) scherzt unsere Expeditionsleiterin Shely am zweiten Tag unserer Überfahrt. Wir sind noch immer im Sturmtief, machen nur langsam Fahrt. Die Wellen erreichen eine Höhe bis zehn Meter. Schön und beständig bringen sie uns von Backbord (das ist rechts) ins Rollen. Wir messen einen seitlichen Neigungswinkel von bis zu 30 Grad. 30 Grad! Um das mal ein bisschen zu veranschaulichen: wenn ich aus meinem Bullauge schaue, sehe ich in einem Moment nur brechende Wellen und im nächsten blicke ich steil in den Himmel. Der Horizont ist oftmals nicht im Blickfeld. Was nicht fest mit dem Schiff verbunden ist, rutscht, fällt, rollt oder schwankt mit den Wellen. Nachts surfen wir unfreiwillig auf unseren Betten durch die Kabine. Mal nach links, dann zurück nach rechts, bis die Betten sich schließlich mit dem Schrank verkeilen und wir quer im Raum stehen. Immerhin stehen wir. Im Gegensatz zu unseren Mägen und dem Gleichgewichtssinn. Der surft weiter. Dank Mister Drake werden knapp 50 Prozent der Passagiere Seekrank, trotz Medizin. Good value for money! Wolf, Susi und ich haben auf Medizin verzichtet. Anstatt dessen haben wir uns am ersten Abend (Abfahrt) einfach ordentlich betrunken. Ob ich jetzt an Seekrankheit leide oder einfach einen Hangover habe? Erst einmal keine Ahnung. Nach dem fettigen Mittagessen geht es mir allerdings besser. Logische Schlussfolgerung: es war wohl ein Hangover. Von der Seekrankheit bleiben wir verschont.

Beim Abendessen auf rutschfesten Tischdecken erzählt uns ein anderer Passagier eine witzige Geschichte: „Wisst Ihr eigentlich, dass unser Schiff dieses Jahr schon einen Unfall hatte? Am Anfang der Saison, bei einer der ersten Expeditionen hat es einen Eisberg gerammt…“ – ah ja, einen Eisberg gerammt. Das macht Mut – „…dabei ist das Stabilisationssystem beschädigt worden und funktioniert seither nicht mehr!“ Okay, wir fahren im Sturm durch die Drake Passage bei richtig hohen Wellen und haben kein Stabilisationssystem. „Braucht man das zwingend?“ frage ich. „Naja, wenn es funktionieren würde, müssten wohl weniger Leute kotzen!

DSC_4402_01DSC_4278_01Ankunft in der AntarktisBeim Aufwachen bemerken wir es: die Betten schaukeln nicht mehr, Schubladen bleiben geschlossen und durch das Bullauge schimmert blauer Himmel. Die Drake Passage liegt hinter uns, wir haben die Antarktis erreicht. „Eisberg, daaaa Eisberg!“ wecke ich Susi und schaue freudig wie ein kleines Kind aus unserem Bullauge. Keine 20 Meter entfernt treibt ‚mein’ erster Eisberg.

Schnell ziehen wir unsere knall-gelben Expeditionsjacken über und stürmen auf eines der Außendecks. Wir sind wirklich da. Die Antarktis zeigt sich uns bei strahlend blauem Himmel, ruhiger See und Sonnenschein. Als wolle das Schicksal uns für die Strapazen der letzten 60 Stunden Drake entschädigen. Die Ankunft in der größten Wildnis der Erde hätten wir uns beeindruckender nicht vorstellen können. Eisberge, Gletscher, Pinguine auf treibenden Eisschollen, selbst eine Gruppe von 30 bis 40 Buckelwalen gibt sich die Ehre als Begrüßungskomitee. Direkt an der Außenwand des Schiffes schwimmen einige dieser Giganten entlang, sprühen Fontänen und zeigen ihre Schwanzflossen. Herrlich.

Randnotiz: Ganz offiziell sind wir bereits seit dem Vorabend in der Antarktis, die mit der Überquerung des 60. Breitengrades beginnt. Auf der Nordhalbkugel wäre das etwa die Höhe St. Petersburg oder Helsinki – allerdings um ein vielfaches Kälter und unbewohnt.

DSC_4417_01Zodiac – CruiseUm die Mittagszeit erreichen wir unseren geplanten Ankerplatz, Cierva Cove. Der Ort für unsere erste Zodiac Cruise (Schlauchboot-Fahrt). Etwas nervös und voller Vorfreude warten wir auf die Durchsage von Shely: „Chinstrap in den Mudroom“. Chinstrap, eine Pinguinart, ist die Kennung unserer Gruppe während dieser Expedition. Der Mudroom (Schlammraum) dient als Umkleide- und Lagerraum, in dem wir unsere ‚Expeditionskleidung’ anziehen: Gelber Parka, wasserfeste Hose und Gummistiefel sind Pflicht, wasserdichte Handschuhe und Mütze sehr ratsam. „Chinstraps in den Mudroom“ hören wir die leicht blechern klingende Durchsage.

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DSC_4622_01DSC_4542_01Kurze Zeit später sitzen wir mit breitem Grinsen, acht weiteren Passagieren und einem Mitglied des Quark Expeditionsteams im Schlauchboot. Die Crew des Expeditionsteams sind keine reinen Zodiac-Taxi-Fahrer, es sind vielmehr allesamt Antarktis und/oder Adventure Spezialisten. Von Gletscher-Wissenschaftlern über Meeresbiologen, Geologen hin zu Kayak und Stand-Up Paddle Freaks ist alles vertreten. Aus Sightseeing Trip wird Bildungsreise! Bereits auf der Drake Passage gab es täglich mehrere Präsentationen rund um Eis, Gletscher, Tierwelt und Geschichte der Antarktis. Während der dreistündigen Fahrt in Cierva Cove lerne ich allerdings nichts, absolut nichts! Keinesfalls jedoch, weil unser Guide nichts lehrreiches erzählt. Vielmehr weil ich einfach aus dem Staunen nicht herauskomme. Breite Gletscher schlängeln sich von den Bergen hinab ins Meer, Eisberge größer als Einfamilienhäuser treiben um uns herum, Pinguine tümmeln sich im Wasser und Robben liegen faul auf kleinen Eisschollen. Am faszinierendsten finde ich jedoch das blaue Farbenspiel der Gletscher und Eisberge. Wo ich eigentlich nur ‘weiß’ vermutet hätte, erlebe ich ein Blau, das ich so nicht kannte. Mein Reiseführer würde zweifellos das Attribut ‚malerisch’ vergeben – ich finde jedoch keine angebrachten Worte. Daher rezitiere ich einfach unsere Expeditionsleiterin Shely: „You cannot describe Antarctica, you have to experience it!“ – Du kannst die Antarktis nicht beschrieben, du musst sie erleben. Amen.

Polar PlungeEinfach mal baden gehen… in der Antarktis. Der Polar Plunge ist ein ‚Wer will der kann’ – Angebot. Bekloppte Touristen springen freiwillig in 2,4 Grad kaltes Wasser, kleine Eisschollen schwimmen daneben. „Hey das machen wir auch!“ meint Wolf. „Alla hopp!“ sagen Susi und ich (einer von uns beiden eher ein bisschen zögerlich). Den Zehen vorher ins Wasser halten, um sich ein wenig zu akklimatisieren wäre sicher keine gute Idee. Daher lassen wir das bleiben und springen direkt. Wolf zuerst, dann komme ich. Am Sicherungsseil angebunden springe ich ins Wasser…erst der kurze Schock unter Wasser, dann die Kälte. Alter ist das kalt. Wie eine nasse Katze paddel ich zurück an die Leiter und rette mich ins ‚Warme’. Warm bedeutet in dem Fall knapp 5 Grad Außentemperatur …aber trocken und im Bademantel. Wie kann man die Kälte beschreiben? Am trefflichsten wohl: Männer springen rein, Frauen kommen raus. Die anschließende Sauna und der Vodka hilft Wunder und tut richtig gut.

DSC_4779_01Zum Abschluss eines grandiosen ersten Tages in der Antarktis bittet der Kapitän zu Cocktail und Tanz, ehe wir den hinter Eisbergen aufgehenden Mond bestaunen. Bereits jetzt ist die Reise ein voller Erfolg…und Landgänge auf dem Festland sowie Stand-Up-Paddling zwischen Gletschern stehen erst noch an.

Ein etwas detaillierter Reisebericht in English veröffentlichen unsere Freunde und Mitreisenden Mike und Anne, die seit vier Jahren!!! in Flitterwochen um die Welt reisen. HoneyTrek.com

Expedition Antarktis – Teil 2 

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