Atacama Wüste und Altiplano

DSCF8161Tag 716 bis Tag 735, Donnerstag 14.04 bis Dienstag 03.05.2016 – Wild Campen auf über 4.000 Höhenmetern bei Gauchos, in Salzpfannen, an Geysiren, blauen Lagunen und Vulkanen.

Während in Patagonien die Berge der auslaufenden Andenen noch keine spektakulären Höhen erreichen und sämtliche Pässe zwischen Argentinien und Chile einfach zu befahren sind, ändert sich das nördlich von Mendoza schlagartig. Der höchste Pass zwischen den beiden Ländern, der Paso de Agua Negra (4.780m), ist bereits seit Wochen gesperrt und nur während des Hochsommers befahrbar. Wir entscheiden uns für die Strecke über den Paso Pircas Negras (4.110m) nach Chile und wollen dann über den Paso San Fransisco (4.726m) etwas weiter nördlich wieder zurück nach Argentinien.

Dünne Luft auf 4.484 Metern

Nach Mendoza zelten wir die ersten beiden Nächte auf dem Weg zum Paso Pircas Negras auf entspannten Höhen zwischen 1.000 und 1.200 Höhenmetern. Dann geht es los. Von Villa Union führt eine relativ gut befestigte Straße Richtung Chile. Bis zur Laguna Brava erklimmen wir in weniger als zwei Stunden etwas mehr als 3.000 Höhenmeter. Am höchsten Punkt auf 4.484 Metern steigen wir aus. Der Wind ist außerirdisch stark. Im fast ausgetrockneten Salzsee liegt eine abgebrochene Tragfläche. Wir sind wackelig auf den Beinen. Die dünne Luft und der schnelle Aufstieg wirken, als seien wir kurz vor einer Vollnarkose oder einfach nur besoffen. Selbst kleinste Bewegungen bringen uns außer Atem. Eigentlich kein Wunder, wir sind hier gerade einmal 300 Meter unterhalb des Gipfel des Mont Blanc. Landschaftlich ist ein Vergleich allerdings nicht wirklich möglich, denn hier ist es beinahe topfeben. Das Altiplano (Hohe Ebene) hat seinen Namen nicht von ungefähr. Über Kilometer ist alles oberhalb von 4.000 Höhenmeter. Wir fahren noch knapp 60 Minuten bis zur Grenzstation (4.110m). Die Straße könnte ebensogut in Friesland sein: fast eben, nur ein bisschen wellig.

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Ausgetrockneter Salzsee im Altiplano

Heute sind wir Auto Nummer Sechs. Die gemeinsame Grenzstation aus chilenischen und argentinischen Beamten hat nicht sonderlich viel zu tun. Vielleicht ist Auto Nummer Sechs genau deshalb eine willkommene Abwechslung. Der chilenische Zoll nimmt seine Aufgabe akribisch war. Kein Rucksack, kein Stauraum, keine Tasche bleibt undurchsucht. “Knoblauch, Zwiebeln und die Gewürze müssen hier bleiben, die Eier müsst ihr kochen oder wegschmeißen und das Holz auf dem Dach muss auch runter.” Boah, die Grenzkontrollen werden immer nerviger. Gewürze und Holz begleiten Wolf jetzt schon seit Afrika und sind bislang fünf mal über die Grenze Chile/Argentinien gefahren. Bislang ohne Beanstandung. Zwiebeln, Knoblauch und Gewürze wandern über einen kurzen Umweg in unserem Hosentaschen wieder ins Auto. Die Eier versuche ich abzukochen. Allerdings streikt mein Gaskocher und ich packe sie nach 10 Minuten im kalten Wasser einfach wieder ein. Ein kalt ‘gekochtes’ 10-Minuten Ei sozusagen. Beim Holz finden wir allerdings keinen Weg es zu schleusen, es bleibt beim chilenischen Grenzposten.

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Aushilfs-Gaucho Wolf
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Pferde besohlen
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Die Ziege meckert nicht mehr

Campen bei Gauchos

Nach der gründlichen Kontrolle von knapp einer Stunde müssen wir noch ein wenig Höhe verlieren, ehe wir einen Platz für das Nachtlager suchen können. Kurz vor Einbruch der Dämmerung treffen wir in einer Schlucht auf ein paar chilenische Gauchos, die hier oben Ziegen, Schafe, Pferde und Rinder halten. Wir haben unseren Platz gefunden. Die Gauchos lassen uns bei sich campen, bringen Holz für ein Lagerfeuer und kochen Wasser für uns. Tolle Typen. Die erste Nacht in der Höhe (3.200m) ist leider trotzdem nicht sonderlich prickelnd. Die Kälte können wir noch relativ gut verkraften, unsere Komplexhirne kommen allerdings nicht ganz so gut mit dem geringen Sauerstoffgehalt zurecht. Die Nacht ist relativ schlaflos und allen brummt ein wenig der Kopf. Bayer sei Dank, gibt es so eine herrliche Erfindung wie Aspirin, die ein wenig bei der Höhenakklimatisierung unterstützt.

Noch vor Sonnenaufgang hören wir aus dem Zelt das Meckern der Ziegen, die allesamt auf ein höher gelegenes Plateau getrieben werden. Alle bis auf Eine. Die meckert gerade zum letzten Mal. Sonntags wird geschlachtet und wir sind live dabei. Danach werden Pferde neu besohlt, Ziegenkäse gemacht und ein Eintopf aus (frischen) Rippchen vorbereitet. Die Jungs verbringen das halbe Jahr hier oben mit ihren Tieren. Wir dürfen einen Tag ihr Leben beobachten, filmen und fotografieren. “Wir lassen Euch auch ein paar Fotos zukommen!” versprechen wir. Die Frage nach E-Mail, Whatsapp oder Dropbox sparen wir uns. Wir lassen die Fotos ‘entwickeln’ (ausdrucken) und senden sie mit der Post. Als Dankeschön bekommen wir zum Abschied noch 1/4 Ziege in die Hand gedrückt. Nicht das Filetstück, sondern die andere Rippchenhälfte. Grandios.

DSC_6850Paso Cerrado – Pass gesperrt!

Sorry, aber momentan könnt ihr hier nicht weiter nach Argentinien fahren, es hat gestern geschneit und der Pass ist gesperrt!” das hört man nicht gerne. Unser Plan, über den Paso San Fransisco erst zum Vulkan Ojos de Salado (6.800m) und dann zurück nach Argentinien zu fahren, wird durchkreuzt bzw. verschoben. Was macht man also, wenn man nicht auf über 5.000 Höhenmetern wandern darf? Richtig, man fährt an den Strand. In Chile kein Problem. Das Hochgebirge ist keine 200 Kilometer vom Strand entfernt. Wir fahren also von 4.400 auf 0 Höhenmeter und legen uns an den Strand. Eher kontraproduktiv für unsere Höhenakklimatisierung aber was soll man machen. Wir sitzen das schlechte Wetter in Bahia Inglesa aus. In einem – wie soll man sagen – eher ‘individuellen‘ Hostel: das Strandhaus ist grandios, die Küche hygienisch gewöhnungsbedürftig und der Besitzer dauerbekifft. Schon morgens begrüßt er uns mit einem Joint aus dem Mundwinkel.

Schokolade? Kann ich nicht essen. Hatte gestern eine Lebensmittelvergiftung!” – “Kein Thema, ist Diätschokolade!” Beim abendlichen Trinken mit den beiden einzigen anderen Gästen des Hostels gibt es einige witzige Gesprächsthemen. Ob Lemongras-Tee oder bunte Armbändchen, Wolf ist interessiert. Die beiden Mädels reisen durch Südamerika und verdienen sich durch selbst gemachte Armbändchen ihr täglich Brot. Wolf wittert hier wohl eine Geschäftsidee, so ausführlich wie er sich Produktionsprozess, Materialwirtschaft und Vertrieb beschreiben lässt. “Was machst Du eigentlich so in Deutschland?” will Ivy daraufhin von Wolf wissen. “Ich verkaufe.” – …Pause…Stille… – “Aaahhh, okay…..und was bitte?” – “Internet!” – Pause…Stille… – Ich schmeiß mich weg. Hört sich so an als ob Wolf bei O2 PrePaid Datenvolumen am Eingang von Media Markt verkauft.

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Campen bei Minus 15 Grad – Salar de Pedernales
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Vollmond über der Salzpfanne
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Wolf beim Holz spalten

Paso Cerrado – immer noch!

Entgegen anderer Auskünfte von unfähigen Polizisten ist der Paso San Francisco noch immer gesperrt. Blauer Himmel, Sonnenschein. Trotzdem hatte es auf 4.700 Meter wohl Minus 26 Grad und Räumfahrzeuge gibt es einfach nicht. Die knapp vier Stunden Fahrt zum Pass hätten wir uns also schenken können, wir müssen wieder zurück zur einzigen Hauptstraße nach Norden – und die verläuft ziemlich genau am Meer. Für heute wäre die Rückfahrt allerdings zu weit. Auf 3.400 Höhenmetern finden wir am Salar de Pedernales, einer weiten Salzpfanne, einen tollen Campingplatz. Über den Bergen erscheint wenige Minuten nach Sonnenuntergang der Mond. Es ist Vollmond, die ganze Salzpfanne ist hell. Der Ausblick ist der Wahnsinn. Taschenlampen brauchen wir keine. Allerdings ist es nach Sonnenuntergang auch bitter kalt. Im Zelt kuscheln wir uns in Schlafsack-Inlay, Sommerschlafsack und Daunenschlafsack. Drei Schichten! So geht es. Nur die Nasenspitze friert ein wenig. Minus 15 Grad messen wir in der Nacht. Kondenswasser gefriert an der Innenwand des Zelts. Mit dem Sonnenaufgang über dem Salar kommt die Wärme zurück und wir schlüpfen wieder in kurze Hosen. Die Temperaturunterschiede sind unglaublich.

Auf dem Weg nach San Pedro de Atacama durchqueren wir die Atacama Wüste, die sich bis an den Pazifik erstreckt. Inmitten dieser Einöde liegt das Mekka für Astrologen: das Very Large Telescope. Die trockenste Wüste der Erde bietet nicht nur wegen ihrer vielen wolkenlosen Nächte optimale Bedingungen. Eine menschengeschaffene Lichtverschmutzung ist hier nahezu nicht existent. Keine Dörfer oder Siedlungen im Umkreis von mehr als 50 Kilometern. Das Very Large Telescope besteht aus vier großen Teleskopen mit Durchmessern von 8,2m, sowie vier kleineren Teleskopen von jeweils einem Meter. ESO (European Southern Observatory) baut derzeit nicht weit entfernt davon das ‘Extremly Large Telescope’, das dann einen Durchmesser von 40 Metern haben wird. Kreative Namen sind das übrigens. Sollte das dann auch nicht mehr ausreichen, wird wohl das ‘F… Large Telescope‘ kommen. Bei der kostenlosen Führung treffen wir einen dicken Pforzheimer und seine jammernde Frau: “Boah, gestern war es ekelig kalt. Wir hatten 9 Grad gemessen!” – “Plus oder Minus?” – “Na Plus, aber das ist doch ekelhaft kalt. Sowas will ich nicht mehr haben!” Ja, da seid ihr in Nordchile im Herbst auf dem Weg nach Sand Pedro genau am richtigen Platz. Fast wie in der Karibik hier. “Nene, wir sind Sonnenmenschen. Ich brauch die schwüle Hitze…” ergänzt der Dicke mit einer Anstrengungs-Schweißperle auf der Oberlippe. “...Muss aber immer einen Hut tragen, sonst bekomme ich einen Sonnenstich!” Junge, Junge, Junge, was für Labertaschen. Zu Wolf sagt er dann noch mit einem süffisanten Grinsen: “Ah, hast einen Landrover?! So einen hab ich im Himalaya auf den Bergpässen locker stehen lassen. Hab ne bessere Übersetzung und meinen Partikelfilter ausgebaut!” Himalaya? Auch ne Region, die für ihre schwüle Hitze bekannt ist. Wir müssen schnell weiter, ehe wir unsere oberflächliche Freundlichkeit nicht weiter aufrecht erhalten können.

DSCF7740San Pedro de Atacama

Ein kleines Dorf mit Backpacker Charme am Dreiländereck Bolivien, Argentinien und Chile. Die Hauptstrasse ist voll mit Touranbietern, Wechselstuben und kleinen Restaurant. Für uns ein Ort zum relaxen und entspannen, ehe wir auf eigene Faust die Sehenswürdigkeiten abklappern. Am Geysirfeld Tatio auf 4.300 Höhenmetern bauen wir unser Zelt direkt an der Rangerstation auf. In der Küche der Ranger dürfen wir kochen, was uns das ‘Leben rettet‘. Draußen ist ein unglaublicher Wind bereits zum Sonnenuntergang und die Temperatur an der 0 Grad Grenze.

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Im Geysirfeld

Weit vor Sonnenaufgang bei Minus 10 Grad quälen wir uns aus den warmen Schlafsäcken und fahren zum Geysirfeld. Meine Füße fallen vor Kälte fast ab. Aber es lohnt sich. Das Geysirfeld ist um diese Zeit am aktivsten und die heißen Wasserdämpfe steigen eindrucksvoll in die kalte Morgenluft. Wasser und Schlamm blubbert am Boden. Nach kurzem Frühstück fahren wir weiter Richtung Argentinien, wieder mal. Kurz vor dem Paso de Jama erreichen wir 4.835 Höhenmeter, bisheriger Rekord. Knappe vier Stunden fahren wir auf dem Altiplano oberhalb von 4.000 Metern durch eine Wüstenlandschaft. Weiße Salzpfannen, künstlerische Felsformationen, unzählige Vulkane und brauner Sand prägen das Bild. Der Himmel ist wolkenlos und erstrahlt in tiefem Blau. Dazwischen schlängelt sich die dunkel geteerte Landstraße mit gelben Fahrbahnmarkierungen Richtung Osten. “Wirkt schon so ein bisschen geil hier!

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Schon so ein bisschen geil!

Nach einem Übernachtungsstopp in Purmacan erreichen wir Salta, eine wundervolle argentinische Stadt. Im Tripadvisor Geheimtipp ‘La Casona del Molino‘ essen wir in einem Außenbezirk der Stadt zu Abend. Das Restaurant öffnet nicht vor 21 Uhr und kurz danach sind die meisten Tische vergeben. Wir bekommen in einem der Hinterzimmer Platz und erkennen schnell, warum das Restaurant auch an einem Mittwoch vollbesetzt ist. Um 22 Uhr beginnt die Live Musik. Richtig gute, spanische Musik. Das ganze Restaurant ist fasziniert und lauscht. An einem Tisch sitzt eine große Gruppe, alle sind betrunken, eine große Tüte mit Kokablätter geht die Runde. Es sind Politiker aus Buenos Aires. Was sonst.

DSCF8053Nach dem Kurzaufenthalt in Salta fahren wir wieder zurück über den Paso Sico nach Chile. Der Weg zum Pass auf dem letzten Stück der Routa 40 ist abenteuerlicher als alle bisherigen Strecken. Durch kleine Bachläufe verläuft die steile, ungeteerte Serpentinenstraße bis auf 4.985 Meter Höhe. Selbst für Angus wird die Luft hier oben dünn. Er muss an den steilen Passagen richtig arbeiten. Auf dem Altiplano angekommen wird es leichter, das Gelände wird flach und weit. Theoretisch wollen wir zurück nach San Pedro de Atacama, der Tag ist aber leider zu kurz. An der Laguna Aquas Calientes kommen wir beinahe zum Sonnenuntergang an und beschließen, hier zu campen. Eine gute Entscheidung. Die Höhe spüren wir immer weniger, es ist nur mittelmäßig kalt und kurz nach Sonnenaufgang sind wir bereits an einem der touristischen Highlights der Gegend: den Piedras Rojas, den roten Steinen. An einer türkisblauen Lagune ragen tiefrote Steine aus dem Boden. Im Hintergrund fliegen Pelikane und ein kegelförmiger Vulkan zeigt zum Himmel. Ich könnte echt ins schwärmen kommen. Die Landschaft ist schon ganz besonders. Einfach nur dasitzen und schauen. Herrlich.

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Piedras Rojas

Zurück in San Pedro de Atacama genießen wir bei warmen Temperaturen die letzten Tage in Chile. Das Valle de Luna ist das letzte Must-See, ehe wir nach Bolivien aufbrechen. Die Mondlandschaft bei San Pedro hat ihren Namen nicht zu unrecht. Hier könnte die Mondlandung 1969 gedreht worden sein, ohne Zweifel. Beim Pizzaessen am Abend höre ich aus dem Off noch einen recht aufschlussreichen Spruch: “So langsam bekommst Du aber auch Cellulite am Bauch…Hihi!” Das Wohlstandsreisen wirkt sich wohl aus. Es wird Zeit, mal wieder ein paar Tage wild zu campen…im Altiplano in Bolivien

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Geysir Tatio
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Laguna Aquas Calientes
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Markt in Pumarcan
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Friedhof an Routa 40

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